Emily Kempin-Spyri war die erste Schweizerin, die Jura studierte und die erste Frau im deutschsprachigen Raum, die habilitierte. Die Tätigkeit als Anwältin blieb ihr aber verwehrt - weil sie eine Frau war.
Eveline Hasler hat gewohnt hervorragend recherchiert und einen Roman geschaffen, der die Geschichte, die damalige Zeit, die gesellschaftlichen Normen lebendig schildert und den Personen Leben und ein Gesicht gibt. Ein Stück wertvoller Zeitgeschichte und ein Bericht über eine beeindruckende Frau.
Eveline Hasler beschreibt das Leben dieser bemerkenswerten Frau. Emily wurde 1853 als Tochter eines Pfarrers geboren. Sie entwickelt früh eine grosse Wissbegier, versteht und mag es, zu argumentieren und hat einen starken Willen. Sie möchte eine höhere Ausbildung machen. Die Zeit ist noch nicht reif für Frauen mit solchen Plänen. Ihr Mann Walter, ein Pfarrer, unterstützt ihr Vorhaben, zu lernen. Sie studiert Jura und die Familie wandert nach New York aus, wo sie bessere Möglichkeiten hat. Aber auch in Amerika sind die Frauen den Männer nicht gleichgestellt. Sie setzt sich für Frauenrechte ein und dafür, dass Frauen in Rechtsfragen ausgebildet werden. Es ist ein harter Kampf. Hartnäckige Bemühungen treffen auf ebenso hartnäckigen Widerstand. Die Herausforderungen sind auch für die Ehe, die Familie gross. Schliesslich zerbricht Emily daran. Das Buch beginnt mit einem Bericht aus der Friedmatt, der Basler Psychiatrie.
Sie (Emilys Mutter) zieht ihn (den Vater) zum Fenster; zeigt zum Vorplatz der Kirche, wo die Kinder Himmel und Hölle spielen. Ein Mädchen aus der Nachbarschaft gemogelt, Emily nimmt die Sünderin ins Verhör; zur Strafe muss sie zurück, auf das erste, mit Kreide gezeichnete Feld. "Wie sie sich Respekt verschafft, hörst du? Pfarrer könnte sie werden oder Advokat, wenn sie kein Mädchen wäre! Das Mundwerk dazu hat sie, deine Zähigkeit, Funken sprüht sie, wenn sie etwas will.
Vor Jahren hat er (Walter, Emilys Mann) sie wie einen schutzbedürftigen Vogel gefüttert mit dem, was er geben konnte: kleinen Brocken von Wissen, Latein, ein bisschen Mathematik. Jetzt hat sie ihn überflügelt. Nie hätte er geglaubt, dass ihr so mächtige Schwingen wachsen könnten, stark genug, den Ozean zu überfliegen.