Einleitung: Als Mitglied der reformierten Kirche hat mich das Vatikangebilde stets fasziniert. Wie können sich gebildete Männer einer solchen Hierarchie unterwerfen? Es werden Glaubensnormen und Verhaltensweisen für ein religiöses Leben proklamiert, während ihre Vertreter immer wieder in Intrigen, skrupellose Machenschaften und sogar mafiöse, kriminelle Handlungen verwickelt sind. Aus meiner Sicht spielt das Mystische, das Überirdische, eine zentrale Rolle. Es scheint eine solche Kraft auszulösen, dass diese Männer bereit sind, Einschränkungen in Kauf zu nehmen, die für Andersdenkende schwer nachvollziehbar sind. Doch das irdische Leben macht eben auch vor den religiösen Toren Roms nicht Halt.
Zum Buch: Passend zu meiner Einleitung möchte ich eine Szene zitieren: Der Papst trifft in einem Aufzug auf zwei ältere Monsignori, die sofort auf die Knie sinken. Doch der Papst lacht und sagt: „Schon gut, Sie können wieder aufstehen. Ich bin auch nur ein alter Sünder und nicht besser als Sie.“
In diesem Roman steht, anders als oft in der Literatur, nicht der Tod eines Papstes im Mittelpunkt, sondern das anschließende Konklave – ein bedeutender Fokus, der vielleicht zunächst einen anderen Ton vermittelt. Der Dekan, der Vorsitzende des Kardinalskollegiums, bemerkt nach dem Tod des Papstes, dass er von einigen Mitgliedern der Kurie kaltgestellt wird. Aber warum? Besonders interessant ist seine Beobachtung: Je weiter er in seiner kirchlichen Laufbahn aufstieg, desto mehr schien ihm das Himmelreich zu entgleiten.
Zu Beginn konzentriert sich Harris auf die Charakterdarstellungen der verschiedenen Teilnehmer des bevorstehenden Konklaves sowie auf detaillierte Ortsbeschreibungen. Der Aufruf zur Einheit, Toleranz und Demut, der vor dem Konklave ergeht, bleibt jedoch bloß ein Lippenbekenntnis. Nach der ersten Wahlrunde kommt schließlich Bewegung in die eigentlichen Geschäfte des Konklaves – und diese widersprechen teilweise klar der apostolischen Konstitution, die solche Machenschaften unter Androhung der Exkommunikation verbietet.
Doch das scheint niemanden zu kümmern: Es wird gemauschelt und taktiert, um selbst oder durch einen Favoriten die erforderlichen Stimmen zu sammeln. Dieser politische Teil des Konklaves hat wenig mit Religion zu tun. Vielmehr erinnert er an Intrigen aus Politik, Wirtschaft oder Vereinswesen. Die Geschichte wird zusätzlich durch sexuelle Verfehlungen angereichert, was zeigt, wie sehr auch hier irdische Schwächen eine Rolle spielen. Einige Kardinäle scheinen nicht mehr an den Heiligen Geist zu glauben, der sie eigentlich führen sollte. Wahlrunde um Wahlrunde verlaufen nach jahrhundertealten Regeln und Strukturen, bis es am Ende des Romans wortwörtlich knallt.
Zitate: „Welche Umstände? Die Umstände eines schmutzigen Tricks – Einbruch, gestohlene Papiere, Anschwärzungen eines Mitbruders. Ich wäre der Richard Nixon der Päpste.“ - „Hat es jemals einen eindeutigeren Versuch gegeben, ein Amt oder ein Sakrament zu kaufen?“ - „Wir finden nie einen Kandidaten, dessen Weste vollkommen weiß ist.“
Persönliche Einschätzung: Harris schreibt so bildhaft, dass man sich nicht nur als Beobachter, sondern als Teil des Geschehens fühlt.