Martin R. Dean arbeitet in diesem sehr persönlichen Werk seine Familiengeschichte auf und lässt dabei seine Familie mütterlicherseits nicht gerade in einem guten Licht erscheinen. Ich finde es schwierig, dieses Buch zu rezensieren, ohne jemandem zu nahe zu treten.
Sein Vater entstammte der indischen Bevölkerung Trinidad & Tobagos, seine Mutter war Schweizerin. Ich habe mich mit dem karibischen Inselstaat bislang überhaupt nicht befasst und was Dean über das Schicksal und Leben der indischen „Kontraktarbeiter“ (genauso gut kann man „Sklaven“ sagen) unter der britischen Kolonialherrschaft schreibt, macht sprachlos. Die Schilderungen über die Fremdenfeindlichkeit, die dem Autor selbst, seiner Mutter als Mutter eines „farbigen“ Kindes sowie der Oma als Deutsche in der Schweiz entgegenschlug, sind leider mitnichten besser, zumal sie gegenüber Dean und seiner Mutter aus der eigenen Familie kommt.
Das Verhalten der Mutter ist für mich schwer nachvollziehbar. Sie hat den kleinen Sohn und sich vor dem gewalttätigen Vater/Ehemann in Sicherheit gebracht. Zurück in der Schweiz hat sie ihre Vergangenheit auf Trinidad und Tobago und somit die Geschichte ihres Kindes jedoch radikal ausradiert. Die Ablehnung, die Dean von seinem Stiefvater und seinen Stiefgeschwistern erfährt, hat mich erschüttert. Ich frage mich, wie es für ihn sein muss, mit einer solchen Familie zu leben. Und was die Familie bei der Lektüre dieses Buches wohl empfinden mag.
Das Coverbild passt für mein Empfinden sehr gut zur Geschichte: Ein verloren wirkender kleiner Junge, umgeben von anonymen Erwachsenen.
Nicht ganz klar ist mir nach der Lektüre, worauf der Autor mit dem Erzählen seiner Geschichte abzielt. Dass es bei einer Familiengeschichte kein klassisches „Ende“ geben kann, ist mir klar. Trotzdem liess das Buch mich etwas in der Luft hängend zurück.
Nächste Woche kann ich an einer Online-Veranstaltung mit dem Autor teilnehmen. Ich freue mich darauf und bin gespannt, was ich noch erfahren werde.