Auf den ersten Blick ist Sie sagt. Er sagt. ein klassisches Theaterstück wie man es von Schirach kennt. Eine Gerichtsverhandlung, unkonventionelle Anwälte und ein moralisches Dilemma. Sie sagt ein sexueller Akt sei zu einer Vergewaltigung mutiert, er sagt - nach langem Schweigen -, es sei einvernehmlich gewesen. Im Verfahren müssen die beiden Personen des öffentlichen Lebens private Details auspacken, so kommt nicht nur ihre jahrelange Affäre ans Licht, sondern auch unangenehm intime Details der angeblichen Vergewaltigung. Dazu werden unterschiedliche Bekannte, Beamte sowie eine Wissenschaftlerin zum prekären Thema befragt. Die Sympathien der Lesenden sowie des Gerichtssaals schwanken dabei stetig von der einen zur anderen Seite. Wer erzählt die Wahrheit? Wer erscheint glaubwürdig? Wer ist tatsächlich schuldig?
Schirach geht, wie man es von ihm bereits kennt, auf unparteiische Weise vor und schildert das Verfahren in seiner bürokratischen Nüchternheit - aber nicht ohne den gelegentlich eingsträuten Humor. Doch die Thematik von sexuellen Übergriffen und sexualisierter Gewalt sowie die damit verbundene geschlechtliche Ungleichheit sorgen für einen seriösen Ton des Werks, sodass zumindest mich persönlich das Buch noch lange beschäftigt hat. Es gibt aufgrund der verschiedenen Perspektiven einen sehr guten Einblick in die komplexe Situation von sexualisierter Gewalt, weshalb ich die Lektüre (oder auch die ZDF-Verfilmung) jedem und jeder nur ans Herz legen kann!