Das Buch hat mich direkt angesprochen, als ich es gesehen habe, denn das Konzept klang durchaus vielversprechend. Ein tödliches, aber dennoch auch freiwilliges Spiel, welches einem die Möglichkeit gibt, sein eigenes Leben zu verändern bringt viele Möglichkeiten mit sich. Davon gibt es viele, aber das Buch hat wirklich auch seinen eignen Touch in die Sache gebracht und hebt sich dadurch schon gut von anderen Dystopien ab.
Auch die Tatsache, dass alles in einen Einzelband verpackt wird, ohne gleich noch eine Revolution draufzupacken, finde ich nicht schlecht. Man findet viel zu wenige Dystopien, die nur einen Teil haben und immer gleich aufs grosse Ganze stürzen.
Jedoch beginnt das Buch in dieser Hinsicht auch zu bröckeln. Das grössere System spielt hier keine Rolle (ein Krieg gegen KI, ein festgefahrenes Kastensystem und eine Zarenfamilie ist meiner Meinung nach genügend, um zu erklären, wie extrem die Umstände sind und warum überhaupt Leute an solch einem Spiel mitmachen wollen), weshalb es auch nicht so wichtig ist und die Erklärungen dafür mehr als genügend aufgebaut wurden. Jedoch fehlt auch viel innerhalb des relevanten Rahmens der Geschichte.
Das beginnt damit, dass die Wand selbst schon viel offenlässt. Klar kann man nicht ein Buch schreiben, in dem nur geklettert wird, auch wenn dieser Teil sehr gut beschrieben wird, aber wie die Leute einfach mal locker umeinander herumklettern, miteinander reden, während die Wand immer dann praktischerweise schön stillsteht, oder einfach generell stundenlang ohne Pause klettern können, ist dann doch auch recht fragwürdig. Wenn man nur schon einen kleinen Satz eingefügt hätte, dass die Wand eben nicht nur senkrecht nach oben ging, sondern einige Stellen hat, auf denen man eher vorankriecht, anstatt senkrecht klettert oder mehrere gut verteilte Plateaus auf denen man auch kurz auf eigenes Risiko rasten kann (und nicht nur in der Nacht, in der alle rasten müssen), wäre schon viel mehr klar und würde die groben Fragen rund um die Wand selbst schon mal klären.
Aber auch andere Dinge sind nicht ganz ausgereift. Die Perspektivenwechsel sind leider etwas holprig und auch das System mit dem Wettbewerb selbst ist nicht gut erklärt. Lissa geht ohne einen klaren Plan mal in die Stadt und wird durch gut Glück einfach mal in ein Team aufgenommen. Hätte sich dieser absolute Zufall nicht ergeben, hätte ich keine Ahnung, wie sie den nun ihr Ziel, an der Wand mitzuklettern, erreicht hätte. Auch dass sie einfach mal zwei Wochen vorher in ein Team mit einer bereits bestehenden Strategie aufgenommen werden kann, für einen Wettbewerb mit fester Teilnehmerzahl, lässt mich eher mit Fragen zurück. Klar, dort ist jemand per Zufall verletzt, aber wie entscheidet ein Trainer sonst bei einer festgelegten Anzahl, wer mitdarf und wer nicht und wie und wann man nun neue Mitglieder aufnimmt? Werden die Mitglieder nicht auch irgendwo im Wettbewerb angemeldet oder kann einfach ein Trainer kommen und ein paar Leute klettern lassen, so wie es hier scheint? Und wie geht das, wenn sich die Teams nicht exakt durch die Anzahl Teilnehmer trennen lässt? Wer entscheidet dann, welches Team zurückstecken muss? Oder dürfen vorherige Gewinnerteams mehr Kletterer bereitstellen, um mehr im Vorteil zu sein?
Generell ist auch die Sache mit den Teams allgemein und der Tatsache, wie und wer nun Sieger sein wird, nie wirklich erklärt worden. Ganz am Anfang, sind einzelne Personen erwähnt worden und auch ihre eigenen persönlichen Strategien, als es um die Wetten ging und es macht auch Sinn, wenn nur ein einziger das gewünschte neue Leben bekommt und sich aus den Fesseln eines festgefahrenen Systems lösen kann und jeder für sich selbst kämpft. Von Teams war erst mal nur im negativen Sinne die Rede, als zum Beispiel gesagt wurde, dass ein Kletterer mit diesem Stil in ein völlig falsches Team zugeordnet wurde. So als wäre diese Zuordnung nach Kletterstil noch eine zusätzliche Hürde, die man ebenfalls überwinden muss.
Ein Team macht aber auch nicht viel Sinn. Jeder macht freiwillig mit, sprich hat also eine Menge Ehrgeiz, alle wohl mit dem Ziel, endlich ein gutes Leben zu bekommen und immer mit dem Hintergedanken, jederzeit dabei sterben zu können. Nur einer kann dabei gewinnen, wie am Anfang gesagt wird. Wie man da also zusammenarbeiten kann, wenn es nur einen Sieger geben kann, ist mir schleierhaft. Mir kommt hier das typische Beispiel «Tribute von Panem» in den Kopf. Dort sind die Teilnehmer ja meist nicht mal freiwillig, aber jedes provisorische Team führte am Ende immer zum Auseinanderbruch, einfach weil ja nur einer gewinnen kann. Irgendwann kommt es dann zum Mord untereinander und mit diesem Hintergedanken kann man den Leuten einfach nicht trauen. Wie soll da also überhaupt ein funktionierendes Team zusammenkommen und zusammenbleiben?
Gleichzeitig wird auch der eigentlich lebensverändernde Preis extrem heruntergespielt, weshalb man eben diese seltsame Teamstrategie auch nicht so schnell hinterfragt. Die Leute kommen wohl zum Teil wirklich aus den untersten Schichten, in diesem Falle sogar Schwerverbrecher, die alles dafür tun würden, endlich etwas verändern zu können und der Sieg würde es möglich machen. Heisst also, da sollte teils ein sprichwörtlich tödlicher Ehrgeiz zu sehen sein und dennoch sind es fast nur die Schwerverbrecher, die zu den harten Mitteln greifen um zu gewinnen, während die anderen es eher wie einen normalen sportlichen Wettbewerb angehen, obwohl es ja um so viel mehr geht.
Und dann setzen manche teils auch noch mehrfach ihr Leben aufs Spiel um lieber anderen zu helfen, als endlich selbst zu gewinnen. Mögen noble Absichten sein, aber wer opfert schon freiwillig sein Leben in solchen Umständen und gibt seine eigenen Chancen auf? Sollten es wirklich gute Menschen sein, die anderen helfen wollen, gibt es auch dutzende andere Arten, die bei weitem nicht so tödlich sind, selbst in einer Diktatur. Auch wenn es keine schöne Sache ist, aber Menschen sind selbstsüchtig und in Situationen um Leben oder Tod denkt man erst mal an das eigene Leben. Auch hier, die Ideen sind da, aber mit nur etwas mehr nachdenken, bricht vieles einfach mal zusammen.
Das Ende selbst war dann ziemlich schnell da. Es gab zwar ein relativ zufriedenstellendes Ende und für einen Einzelband ist es gesamthaft auch solide gestaltet, aber die Wendungen kamen eben leider auch ein wenig aus dem nichts und auch eher kurzfristig. Deniels Perspektive war für die längste Zeit einfach eine weitere Perspektive und man hat nirgends auch nur einen Ansatz gesehen, wofür seine Sicht auch noch genutzt werden muss, bis am Schluss alles gleichzeitig aufeinander kam.
Ich war mir am Ende nicht sicher. Ich wollte erst dreieinhalb Sterne geben, die ich aufrunden würde, aber je länger ich an der Rezension dran war, desto mehr scheint so vieles einfach nicht sauber aufzugehen und es sind leider nicht nur die kleinen Dinge. Wie gesagt, ich sehe die Ideen, und der grobe Geschichtsstrang ist noch immer da und sehr spannend und auch solide geschrieben. In vielerlei Hinsicht fehlt einfach extrem die Ausreifung, als hätte es einfach noch einmal eine Überarbeitung nötig. Ich habe es immer noch gerne gelesen und ich bin auch gespannt auf weitere Bücher des Autors, aber hier reicht es leider doch nicht für mehr als gut gemeinte drei Sterne.