Es passieren grausame Morde in Mississippi. Die Opfer: Weisse. Der Täter: der tote Schwarze, der neben den Leichen liegt?
Percival Everett ist für mich einer der grössten zeitgenössischen Autoren, der es in seinen Büchern wie kein anderer versteht, Geschichte und Gegenwart zu vereinen und den Finger tief die klaffende Wunde namens Rassismus zu legen. So auch in diesem Werk. Kern dieses Meisterstücks ist der Lynchmord an dem schwarzen Jungen Emmett Till in Mississippi im Jahr 1955. Till wurde von einer Weissen beschuldigt, dass er sie unsittlich behandelt hätte, worauf ihr Mann und dessen Halbbruder den 14-Jährigen brutal gelyncht haben. Viele Jahre später gestand die Frau, dass die Unsittlichkeit nie stattgefunden hat.
Neben einer durchaus spannenden Kriminalgeschichte überzeugt The Trees / Die Bäume durch fundierte historische Recherche, authentischer Situationsabsurdität und durch einen hochintelligenten Zynismus, der einem - und vor allem den Angesprochenen - gnadenlos den Fratzenspiegel vorhält.
Ungeschönt beleuchtet der Autor den Alltag in den Amerikanischen Südstaaten, haarscharf an der Grenze zum Lächerlichen aber doch immer so authentisch, dass es sich eben doch genau so abspielen könnte. Im Auge von uns Zentraleuropäer:innen scheinen die Figuren teilweise überzeichnet und man zuckt bei jedem, für unseren Geschmack inflationär eingesetzten, N-Wort ein bisschen zusammen. Wer aber schon einmal in Mississippi, Louisiana, Tennessee & Co. war, weiss, dass Everett so fest gar nicht übertreibt.
The Trees ist ein eindrückliches Buch, das man kaum weglegen kann. Everett hat sich spätestens jetzt seinen Platz in meinen Top 3 Lieblings-Autor:innen gesichert.