Eine mächtige und zerrüttende Erzählung.
Aufgeladen mit schmerzhaftem Gefühl, sublimiert in wortgewandter Poesie.
Und einem Aufruf, den man nie genug oft wiederholen kann: Das Gemeinsame im Menschen zu sehen.
Ich mag diese Art von biografischer Nacherzählungen, doch ich kann sie mir nicht zu oft zu Gemüte führen, da ich zu sehr von ihnen mitgenommen werde. Doch ich horchte auf, als ich im Buchhandel ein paar verstreute Zeilen hieraus las. Da schreibt wer aus Kinderperspektive; dies erinnerte mich an Marlen Haushofers «Himmel, der nirgendwo endet» und Aglaja Veteranyis «Das Kind, das in der Polenta kocht». Da brauchte es nicht viel mehr und das Buch war gekauft.
Ich will kurz vorausschicken, dass ich keinerlei Kenntnis über den historischen Hintergrund besitze. Ich bin viel mehr an den Gefühlen und Stimmungen interessiert, die durch die Erzählung transportiert werden. Und nicht zuletzt an der Umdeutung in Poesie dessen, was man nicht in Prosa erzählen kann.
Miljanovic erzählt primär von ihrer Erinnerung als Zehnjährige, inklusive ihrer Interpretation der damaligen Ereignisse, im Klappentext treffend bezeichnet als «Erklärungen in einer Welt, die absurd geworden ist». Dies beschwört tatsächlich ein Gefühl der Absurdität beim Lesen, da man einerseits den Gesprächen der Erwachsenen lauscht, andererseits die Wahrnehmung derselben aus Sicht der Zehnjährigen vorgesetzt bekommt. Harte und mit schleichendem Gefühl der Bedrohung angereicherte Realität in Gegenüberstellung zu kindlich-fantastischer Verklärung. Dadurch fühlte ich mich beim Lesen meist nicht ganz so bedrückt.
Doch Miljanovic lässt auch andere Stimmen zu Wort kommen: Die ihrer Mutter, ihres Onkels und einer lange Zeit namenlosen Person – und hier entfällt die Verklärung. Und diese Teile der Erzählung gehen stellenweise hart an die Nieren. Man weiss ja bei dieser Art Text nie so genau, wie die Mischung aus Fiktion und Tatsache sich zusammensetzt. Doch ich habe auch keinerlei Grund, an der Wahrheit der Erzählung zu zweifeln, da ich überzeugt bin, dass der Autorin viel um nicht zu sagen alles an der Authentizität gelegen war. Zweifel käme einer Beleidigung gleich. Und gerade dieser Umstand lässt eine Distanzierung zum Text (die ich im Übrigen auch gar nicht will) nur schwer zu; Schrecken und Schmerz hallen umso stärker in mir als Leser wider.
Und dann sitze ich nach der Lektüre da und frage mich, ob ich überhaupt so fühlen darf oder ob das nicht Hubris sei angesichts meiner privilegierten Position hier in der Schweiz. Doch vielleicht darf ich das aus dem Roman mitnehmen: Mich wieder einmal auf das eigene Glück besinnen und insbesondere dankbar zu sein.
Und nicht zuletzt inständig zu hoffen, dass wir dem Krieg und allem, was dazugehört, irgendwann entsagen können – oder uns zumindest nicht von ihm und seinen Verwerfungen mitreissen lassen.
Zu sagen, es sei erschreckend, zu was Mann fähig ist, ist untertrieben.
… was haben wir doch für Nicht-Probleme.