Obwohl es nicht klar ist, ob es sich hier um ein Jugendbuch handelt, würde ich diesen “Near-Future”-Roman allen Jugendlichen wärmstens als relevant für das aktuelle Denken und damit für unsere Zukunft empfehlen. Anders als die übliche Doomsdayliteratur und der mediale Endzeitgroove wird hier weniger mit dem MahnFinger auf die aktuellen Probleme gezeigt, sondern die im Buch geschilderte, bereits eingetroffene Katastrophe dient als erstaunlich real empfundene Bühne, auf der radikal neues Denken zu kollektivem Handeln und damit tatsächlicher Veränderung führt, welche die weitere Zerstörung unserer Ressourcen nachhaltig stoppen könnte. Dabei mahnt das Buch nicht bereits nach den ersten Erfolgen aufzuhören und die Verantwortlichen - wider das Vergessen - zur Rechenschaft zu ziehen.
Dem Buch ist es gelung, die Diskrepanz zwischen den durch TotalVerluste in ihrem Denken und Handeln (endlich) veränderten Betroffenen und den nach wie vor wenigen Privilegierten, die weiterhin alles bestimmen und sich auf Kosten der Umwelt bereichern, herauszuschälen, und dabei die provokante Frage zu stellen, ob man sich an diesen rächen, oder (ein amerikanisches Buch) gleich mittels Killerdrohnen ermorden darf.
Eindrücklich auch wie im Buch Migration nicht mehr als solche wahrgenommen wird, sondern es einfach normal geworden ist, dass in den wenigen verbleibenden Habitation Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenleben, die sich ihr Wohnrecht durch Frohndienst für Aufforstung, Rückbau etc. erarbeitet haben.
Schön auch wie das Buch zeigt wie ein gemeinsamer Krieg gegen die Natur endlich alle Menschen verbindet und nationales Bewusstsein durch ein gemeinsames Sorgen um die Restwelt ersetzt ohne dabei - mit Hinweisen auf weiterhin bestehende Klassen- und zivilisatorische Unterschiede - zu euphorisch zu wirken.
Nicht zueletzt ist es die Geschichte einer modernen emanizipierten Familie mit fluidem Rollenveständnis mit Fragen nach Sinn und Aufgabe im Leben, nach Verantwortung, Kollektivschuld und nach der Entscheidung sich aktiv an der Transformation zu beteiligen oder wie ein Frosch weiterhin passiv im kochenden Wasser auszuharren bis es - im wörtlichen Sinne - brennt: sowohl als Individuum als auch im Kollektiv.
Wenn ich etwas zu kritisieren haben, dann den Umstand, dass es meiner Meinung nach nicht reicht, lediglich die Mächtigen als die Hauptverantwortlichen auszumachen, sondern es wäre auch eine Change gewesen, uns alle an unseren eigenen Wahnsinn zu erinnern. Zum Beispiel hätten auch die an OpenAirs zu Hunderten achtlos zurückgelassenen Zelte und die BespassungsFlugmeilen angesprochen werdem dürfen, genauso wie die GenZ Politverdrossenheit und Bildungsverweigerung.