Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und dem um einiges älteren Max Frisch umfängt an die 300 Briefe, Telegramme, Postkarten etc. Umfangreich, ausgesprochen intim und sehr berührend.
Mit einem Brief im Frühling 1958 an die junge Autorin Bachmann, aufgrund deren Lesung eines Hörspiels, beginnt die Korrespondenz und bald darauf auch die Liebesbeziehung. Eine Liebe, die sehr tief ging und von Anfang an keine einfache war. Beide liebten und beide litten. Erwartungen und Nichterwartungen, hohe Sensibilität, Interpretationen in Geschriebenes und Gesagtes, der Umgang mit Wahrheit. Sie ringen umeinander und um sich selbst und verlieren schlussendlich.
Ihr Leben in einer offenen Beziehung, Fragen von gemeinsamem Wohnen, getrennten Wohnungen, Reisen, Freundschaften. Insgesamt waren sie nicht viel Zeit miteinander, lebten nur zweimal ein knappes Jahr zusammen. Die wechselseitige Faszination ist spürbar.
Es ist fast schmerzhaft, zu lesen, wichtig und manchmal schwierig, nicht wertend zu denken dabei. Wie sie einander in den schwierigen Zeiten, in jenen des Auseinanderbrechens und nach der Trennung wahrgenommen/geschildert haben, muss sicher auch mit Blick auf die jeweilige persönliche Situation geschehen.
Nebst all diesen persönlichen Eindrücken ist ein Erlebnis, die Briefe dieser herausragenden Schriftstellerpersönlichkeiten zu lesen. Sie sind literarisch ein Werk für sich.
Die Briefe sind mit zahlreichen Stellenkommentaren und Verweisen versehen, welche sehr interessant sind und einen Einblick in das Leben und auch ihr Schaffen geben.
Im Anschluss gibt es weitere Kapitel, die Zusatzinformationen zu Biografischem Geben und zu Personen aus dem Beziehungsnetz. Verzeichnisse und eine Zeittafel ergänzen das grosse und umfangreiche Werk.
IB: Ich frage mich, was ich bei Dir will mit einem Brief, in dem nicht steht, was zuerst und zuletzt drin stehen möchte, und ich kann Dir auch nicht jedesmal schreiben, dass ich verzweifelt bin. Aber ich kann auch nicht schreiben, dass ich es nicht bin, wenn ich es bin.
MF: Ich erwache nie, Ingeborg, ohne zuerst an Dich zu denken, sei es in Sorge (in der letzten Woche hatte ich stets Angst, es könnte dir auf der Fahrt nach Neapel etwas zugestossen sein) oder Zorn oder Hoffnung, mich ausdrücken zu können.
IB: Ich sage nur, was das Telegramm wollte, weil es nämlich ganz überflüssig war. Nur damals war ich noch nicht so weit im Begreifen, ich musste so denken und glauben, denn es wäre mir ja nicht in den Sinn gekommen, auch nur deine Grippe zu ignorieren, von deiner Arbeit und Deinem Leben ganz zu schweigen, bloss weil Dir jemand die Orangen auspresst (und es war nicht meine Schuld, dass ich es nicht tun konnte) oder, was ich obendrein annehmen durfte, dass, von Dir geliebt, immer jemand bei Dir ist.
MF: Ich bin damals hierher gezogen, um mit Dir hier zu leben, jetzt bin ich hier allein, meine Situation ist gespenstisch und gefährlich. So oft ich in Erwartung auf Dich hier allein war, ging es, wenn auch nicht immer leicht, jetzt überhaupt nicht mehr.