Es war einst ein Mädchen, belesen und gut. Sie lebte mit Büchern in der Stille Hut. Dort saß sie in einem Zimmer und las, fernab von der Welt, die sie vergaß. Es war dieses Mädchen, Claudia genannt. Sie las dieses Buch, und ihr Herz ward entbrannt. Elspeth, der Nachtmahr, ans Schicksal, gebunden. Sie hat die Geschichte nie überwunden. Und so ist sie bis heute gefangen. Die Geschichte im Kopf nimmer mehr gegangen. Es werden die zwei, es ist wie es scheint, das Mädchen, das Buch, für immer vereint.
Die erzählte und bleibende Geschichte:
Das Königreich Blunder ist voller Magie und von der Welt abgeschnitten und in Nebel verhüllt. Elspeth Spindle, eine junge Frau, trägt nach einer Infektion als Kind, wie viele andere, Magie in sich. Magie, so einzigartig wie ihr Träger. Doch Magie aufgrund der Infektion muss samt Magieträger, meist Kinder, vernichtet werden. Die einzige Magie, die im Königreich erlaubt ist, sind die sogenannten Vorsehungskarten, die jede für sich eine andere Art Magie in sich birgt, und ihrem Besitzer die Macht darüber verleiht. Sie befinden sich in den Reihen der Familien mit Rang und Namen, auch der Königsfamilie, und sind wertvoll, sogar sehr, und vereint die einzige Möglichkeit den Nebel um Blunder zu lichten, und die infizierten Kinder zu heilen. Doch wer nun denkt, die Macht der Karten wird für das Gute genutzt, der irrt. Denn jeder verfolgt seine eigenen Ziele. Mehrere Karten müssen erst noch gefunden werden. Und Elspeth? Ist niemals alleine. Denn ihre Magie ist der Nachtmahr in ihrem Kopf, der ihre Gedanken immer mehr in Besitz nimmt. Hinzukommt die königliche Garde mit Anführer Ravyn, der eigentliche Feind von Elspeth. Aber wer ist hier Feind, wer nicht, was ist Gut und Böse? Das gilt es in der Geschichte herauszufinden, zusätzlich zum Auffinden und der Vervollständigung der Vorsehungskarten.
Cover und Buchtitel:
Ich liebe das Cover, weil es mit der Geschichte und der Liebe zur Natur verwoben ist, die im Buch eine ganz zentrale Rolle einnimmt. Auch das dunkle Fenster des Titels ist etwas, das man diesmal eher in seiner Bedeutung erahnt, als dass man die Lösung gleich bekommt, was das Ganze noch geheimnisvoller macht. Fenster zur Seele? Fenster in eine andere Welt? Ich fürchte fast, die richtige Deutung muss bis Band 2 warten.
Fazit und Gedankenallerlei:
Seltsam berührend und melancholisch still kommt die Geschichte ohne viel Getöse daher und besticht durch Spannung auf leisen Pfoten, sich auf Krallen anpirschend ohne Vorahnung und Vorankündigung. Elspeth, Nachtmahr … eure Geschichten haben mich zutiefst berührt. Jede eigene für sich, und die eures gemeinsam verwobenen Schicksals. Die Geschichte könnte fast mit einem „Es war einmal…“ beginnen, und tatsächlich kommt gen Ende eine ähnliche Wortwahl vor, die meine liebste Szene im Buch markiert, doch erzählt das Buch seine Geschichte in eigenen Reimen, und erstrahlt als düster magisch mit hoffnungsvoll hellen Momenten, aber auch märchenhaft geheimnisvoll. Man wird sofort in das Königreich Blunder hineingezogen, in seine alten Sagen, und die Geschichte des Alten Buches der Erlen, die einen regelrecht aufsaugt.
Was hatte ich nach diesem Buch für ein Gedankenwirrwarr?! Da ist etwas, das einen schon nach der Leseprobe festhält, und nicht mehr loslässt. Eine Neugier auf die Geschichte und ihren Fortgang. Ein Mitgefühl mit den Figuren, das einen bis zum Ende nicht mehr loslässt um gleich darauf festzustellen, dass es noch ein wenig hin ist bis Band 2 der Dilogie erscheint.
Die Atmosphäre die im Buch geschaffen wurde ist einmalig. Hier ein paar Stichworte: Gänsehaut. Sogwirkung. Jahreshighlight? Nein irgendwie schon Lebenslesehighlight. Schafft Gänsehautmomente. Lädt ein zum Theoriespinnen. Dies ist nämlich eines dieser tollen Fantasybücher, die eine Welt erschaffen, in der man als Leserin und Leser davorsitzt, und gar nicht anders kann, als von Theorie zu Theorie zu schweifen, nachzudenken, und mit freudiger Erwartung Band 2 zu erwarten. Ein Buch mit der Sorte von Geschichte, an die man sich erinnert und eines Tages sagen wird: „Weißt du noch…?!“. Und wenn man das Buch mit Leuten gemeinsam liest, erscheint es als ob man zusammen am Lagerfeuer in einem düsteren Wald sitzt, sich Theorien und Geschichten zuflüstert, auf das Knacken der Äste zu wartet, die lauernden Nebel näherkommen sieht, und die Stimme des Nachtmahrs in einem selbst zu hören.
Eine uralte und ursprüngliche Magie der Wälder und Natur ist im Buch allgegenwärtig und zeigt sich schon in der Wahl der Familiennamen, die gewählt wurden. Irgendwie ist es auch eine Geschichte über Vertrauen und Masken, was sich hinter allem verbirgt, dass man Dinge erst ergründen kann, wenn man hinter die Kulissen schaut, und dass oftmals hinter allem viel mehr steckt als das Offensichtliche. Und eine Geschichte darüber, eine eigene Stimme zu haben, sein eigenes Selbst zu sein. Die Symbolik der Pflanzen zeugt von einer ganz großes Naturliebe. Familie ist ebenfalls ein Thema. Wie man als Familie zueinandersteht, wie man zueinander hält, wie man sich gegenseitig behandelt, wer wen hintergeht, wer nur auf Eigennutz aus ist, wer einen nimmt, wie man ist, wer einem Liebe entgegenbringt, wer wem gegenüber loyal ist und wer in einer Familie absolut loyal zueinandersteht. Und wer einen verrät. Der Zusammenhalt von Tante Cousine und Elspeth ist sagenhaft schön beschrieben, zumindest anfänglich. Man wird fast ein wenig wehmütig, wenn man darauf schaut, und die Konstellationen in unserem eigenen Heute ansehen muss. ODER wie einen Menschen, denen man vertraut verraten können, selbst wenn sie zur eigenen Familie gehören. Hier hat alles mehrere Seiten. Wir lernen viele Arten von Gefängnissen kennen. Die, die man sich selbst macht, die in die man unverschuldet kommt, und die schicksalshaften, auf der die ganze Last der Jahrhunderte lastet. Menschengemachte, eigens gemachte, Magie gemachte. Und ja, irgendwie setzt sich die Geschichte fest. Sie fährt ihre Krallen aus und verankert sich im Kopf, lässt nicht mehr los, und bleibt darin stecken und gefangen.
Was unheimlich interessant ist, ist das Magiesystem der Vorhersehungskarten, die es schafft mit ihrer Magie in den Bann zu ziehen, und so manche Unsicherheit im Menschen preisgibt, die durch die Geschichte getarnt werden. Doch noch mehr in seinen Bann zieht einen die wilde und unkontrollierte Magie der Infizierten des Nebels, weil sie so unberechenbar ist, eben unkontrolliert, und immer zu überraschen weiß. Und dann ist da der Nachtmahr. Er ist Bedrohung, aber auch Trost, wie ein Schutz, ein alter Freund, die Stimme in einem selbst, die einem sagt weiterzumachen. Das Ganze hat eine Sanftheit in seiner Grausamkeit, und andersrum, was man sowohl auf Nachtmahr, als auch auf die Geschichte an sich beziehen kann. Der Nachtmahr, für mich fast die wichtigste Figur im Buch, hat einen ganz besonderen trockenen schwarzen Humor, leicht ironisch, leicht sarkastisch, fast immer in Reimen sprechend, und das färbt irgendwie im Laufe der Lektüre auf einen ab. Also Vorsicht ist geboten: Es könnte sein, dass der Nachtmahr sich in eure Gehirnwindungen festsetzt, und sich dort für immer festkrallt. Und am Ende ist es genau das, was ihr wollt. Eine Geschichte, die einen nicht mehr loslässt. Jede Szene, in der er Elspeths Geist übernimmt, ist spannend und macht süchtig, so wird irgendwie auch unser eigener Geist übernommen. Der Nachtmahr ist Verbündeter, Ratgeber, Der Einzige der von sich selbst weiß, und dadurch offen und ehrlich, auf seine eigene finstere Nachtmahr Art ist. Er ist Halt, Schutz, aber auch Bedrohung, doch nicht aus Eigennutz, ist das Gute im augenscheinlich Bösen. Und das offensichtlich Böse in Gestalt mit der Denkweise des Guten. Morally Grey par excellence, das hier eine ganz neue und andere Bedeutung bekommt. Der Nachtmahr, böses Ungeheuer und Stimme in Elspeths Kopf, wird mit seinen Kommentaren, Reimen und Erzählungen schnell zu einem Wesen, einer Stimme, nein eigentlich einem Freund, mit dem man sympathisiert. Er entwickelt eine Verbindung zum Lesenden, so als ob man beim Lesen seinen eigenen düster schwarz humorigen Nachtmahr bei sich im Kopf hat.
Jede Zeile, jeder Reim hat eine tiefe Bedeutung, auf die man hören sollte. Ein 500 Jahre altes Erbe. Prophezeiungen im Geist von Elspeth, die nur sie versteht (und manchmal eben auch nicht). Magisch Zauberhaft in Sprache und Erzählstil bilden sich Bilder im Kopf, abgelegt vom Nachtmahr der beim Lesen in unseren Köpfen wohnt, und sie dort für uns hinterlässt. Er leitet uns durch die Geschichte des Buches, beschützt, behütet, und wird doch als Monster angesehen. Wir sind in Elspeths Kopf, und so ist sie Jemand, der uns unheimlich nah als Person ist. Fast schon intimerscheint das, weil man sich im Kopf und der Gedankenwelt eines anderen befindet. Doch da sind auch Masken hinter denen sich das eigene Gesicht verbirgt, ja verbergen muss, zum eigenen Schutz, und diese Masken kommen häufiger vor. Die Gedichte, seufz und wow. Sie nehmen uns mit, die Reime erzählen uns von Vergangenem, von fernen Zeiten, sie wispern und flüstern uns beim Lesen alles zu, das wir wissen, und doch erstmal verstehen müssen. Alles liegt auf dem Präsentierteller, und ist doch wie durch einen Nebel des Nichterkennens geschützt, der sich am Ende des Buches teilweise lichtet, aber auch einige Geheimnisse mit in Band 2 nimmt. Heißt: Cliffhangeralarm!
Ach so, da war ja noch was neben den Reimen 😃. Ich liebe Romantasy, und nehme in Kauf, dass bei einigen Geschichten eben mehr und bei manchen weniger geschwärmt wird (wobei wir alle wissen, dass es meistens etwas mehr ist). Aber hier ist es schön, dass Elspeth keine der Frauen ist, die sofort in die Knie gezwungen wird vor lauter Coolness und gutem Aussehen, sondern eigentlich ihr Wesen und auch ihre Stärke behält. Und Ravyn besticht auch damit, dass nicht in jedem Satz geschrieben wird WIE toll er aussieht. Es ist Fühlen und Gefühl der Attraktivität, die auch daher rückt, dass nicht in jedem Satz erwähnt wird, dass die Mädchen auf den Festen ihm hinterher sehen, und er DER Mann schlechthin ist, den alle begehren, und an ihrer Seite haben wollen. Hinzukommt seine Zurückhaltung und Schüchternheit, die ich sehr schätze.
Auf alle Fälle hat mich der Schreibstil schon mal gefangen gehalten, weil es sich einfach anfühlt wie ein Märchen, und zwar eines der düsteren Sorte. Man konnte schwer aufhören, und will unbedingt wissen, wie es weitergeht. Auch mag ich das Symbolische der Pflanzen der Wälder, und dass jede Familie einer anderen Pflanze entspricht. Das unterstreicht die Anbetung der Natur. Das Ganze Buch spielt mit der Thematik von Schwarz und Weiß, was Gut und was Böse ist. Der Nachtmahr ist natürlich ein Ungeheuer, aber wir wissen ja, dass man nie vom Aussehen auf etwas schließen soll, was im Inneren steckt. Heißt: Der Nachtmahr hat sich einen Lieblingsplatz in meinem Herz gesichert. Sein Humor, so lustig wie düster. Was ich liebe ist fast jede Szene, wenn der Nachtmahr im Kopf sich zu Wort meldet. Die Reime sind einfach nur Kunst.
Und ich beim Lesen: „Notier deine Theorien, vielleicht stimmen ja einige“. Das endete oftmals in einer Gedankenachterbahn. Da sind so viele Einzelszenen, die ich total wichtig fand, die sehr intensiv in ihrem ganzen Sein waren. Aber es ist eben eine vollkommen intensive Geschichte. Es ist, als ob jeder beim Lesen seine eigenen Theorien aufstellt, und an jeder haftet ein Stückchen Wahrheit, so als ob alles wahr, doch nicht vollständig, aber in die richtige Richtung zielt. Und DAS ist ja quasi genau die Gestalt aus der alte Mythen gemacht werden, wenn eine Geschichte 500 Jahre alt ist, und sie von Mensch zu Mensch immer weitergetragen wird, und bei jedem nur ein kleines Stück Veränderung vorhanden ist. Ich finde das unglaublich spannend am Buch und der Geschichte. Das Buch bringt uns bei, hinter die Dinge zu schauen. Der Nachtmahr ist offensichtlich ein “Monster”, aber nein, für mich ist er der interessanteste Charakter überhaupt, bei dem man wissen will, was passiert ist. Ich finde im ganzen Buch sind es nicht die Tatsachen, dass jemand so ist wie er ist, sondern eher die, die einem zu dem gemacht haben, was man nun der Welt von sich zeigt und darstellt. Es zieht sich durchs ganze Buch, dieses „WAS hat mich zu diesem und jenem werden lassen“, und nicht dieses „Ich war schon immer so“. Ich glaube da ist eine tolle Metapher im Buch für die Unzufriedenheit von vielen Menschen. Man will oftmals eben das sein, was man nicht ist, und was andere haben. Wer hat nicht schon mal im Leben sowas gesagt wie: “Ach, ich wäre lieber wie diese oder jene, weil ich so und so bin, und das an mir nicht mag”. Ein zweischneidiges Schwert, bei dem wir im Grau wandeln, weil es kein Schwarz und kein reines Weiß gibt. Das ist fast so, als ob das Buch die Vorsehungskarte ist, und wir der Nachtmahr, der von der Geschichte eingesaugt wird, zumindest ein kleiner Teil unserer Seele 🙂. Das Buch ist magisch, verzaubert einen, nimmt einen in seinen Bann und bietet ein Gefangensein in der Geschichte, das man gerne hinnimmt. Ein absolutes Highlight voller Düsternis, Schicksal, Prophezeiung, Magie, Reimen und einem Knistern, das magisch ist, sich aber nicht auf die Magie bezieht, sondern gewisse Charaktere. Während man die Geschichte liest, entfaltet sie ihre Sogwirkung. Man wird mitgerissen, hineingezogen, fast als ob man selbst dabei ist, fernab der Realität, mitten im Königreich Blunder zwischen dem Nebel und der Düsternis der Wälder gefangen. Da kommen dunkelneblig düstere Märchenvibes an. Aschenputtel? Die Schöne und das Biest? Rapunzel? Nein, was ganz Eigenes! Man verliert sich in der Geschichte, seiner Vergangenheit, dem Schreibstil und den Reimen. Fast als ob die Geschichte des Buches sich auf uns überträgt, uns gefangen nimmt. Und ganz im Sinne der Buchwidmung am Anfang fühlt man sich als stilles Mädchen mit eigenen Geschichten im Kopf auf einmal besonders, weil es eben im Buch so wichtig ist, was man im Kopf hat, welche eigenen Gedanken man fühlt, und wie einzigartig das bei jedem ist. Das Buch dringt in euren Kopf ein, lässt euch reimen, und nachdenken. In diesem Sinne: Hab acht vor dem Buche, vor dem Buche hab acht. Lies wohl mit Bedacht, wenn der Nachtmahr erwacht. Er wird dich mit seinen Worten fangen, dein Herz wird brechen, so ist es jedem ergangen. Drum lies und versteh, die Worte so weise, wenn Bäume im Nebel wispern ganz leise, und erzählen Geschichten der Vergangenheit, der Zukunft, Gegenwart und einer holden Maid. Hab acht vor dem Buche, vor dem Buche hab acht.
Dies ist eines der Bücher wo man eines Tages zurückblicken wird, und sich erinnert. Ein Highlight im Kopf hängenbleibt. Das bleibt, und nicht mehr geht. Magisch, märchenhaft, poetisch, mit zauberhaftem Märchenschreibstil. Die Geschichte hat sich mit ihren Krallen und gleichzeitig sanften Worten nicht nur in meinen Gehirnwindungen festgehakt, sondern auch in meinem Herzen. Dort ist sie nun, wirkt nach, lässt mich in meinen Gedanken reimen, ist fast wie ein Freund, mit dem man Konversation betreibt, wenn die Welt um einen dich vergisst. Wenn ich könnte, würde ich der Geschichte 10 von 5 Sternen geben, weil sie sich so mit meinem Kopf verwoben hat. Weil sie hängenbleibt. Weil sie so besonders ist. Weil sie nachdenklich und gleichzeitig melancholisch, traurig und glücklich macht. Und weil ich nur noch reimen kann, gibt es diesmal kein Rezensionslied, sondern noch ein Gedicht, das sich in meinem Kopf gebildet hat, und aufgeschrieben werden wollte:
„There once was a girl, Claudia her name, who through early years a reader became. She fell in love with a book, so fine. She lost her heart all through reading time. It is what it is, and so it began. The girl, the book, and the love that was then. So through then and now and eternity, the book will last, so the heart isn’t free. Cause there once was a girl, Claudia her name. One Dark Window the book, which in love she became. So listen to it, listen to me, the book tells the word for nothing is free.“