“Das beharrliche Ticken der Standuhr ist der Herzschlag in der Brockenstube.” Mit diesem ersten Satz, an diesem zeitvergessenen Ort in der Stadt beginnt das Buch. Teresa arbeitet da, wo Gegenstände eine Geschichte haben, und sie macht sich auf, über ihre eigene Familiengeschichte nachzuforschen. Und über diejenige von Mirco. Der würde die Vergangenheit jedoch lieber einfach ruhen lassen. Aus Angst vor der Wiederholung von Verlust und Schmerz. Sie begibt sich auf abenteuerliche Spurensuche, entdeckt mögliche atemberaubende, tragische, mörderische Zusammenhänge und stellt eigene Überlegungen an. Mit denen füllt sie die Lücken der Geschichten, die durch das Schweigen der Familien entstanden sind. Dies scheint über längere Zeit aufzugehen.
Als Leserin werden wir kapitelweise bruchstückhaft eingeweiht in Geschehnisse über Jahrzehnte hin, an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Menschen. Mit jeder Begebenheit tauchen neue Fragen auf und einige bleiben auch am Ende offen. Ein Angebot, die Erzählfäden aufzunehmen und selbst weiterzuspinnen… Wie Teresa. Sie kommt zum Schluss: “Ich bin es, die Geschichten erschafft. Nicht umgekehrt.”
Mit ihrem virtuosen Umgang mit Sprache gelingt es Rebekka Salm nicht nur, den Leser in ihr Geschichtengeflecht mitzunehmen, sondern: Mit Gespür für Dramaturgie zieht sie die Spannungsbögen geschickt durch die 195 Seiten und vermag immer wieder zu überraschen - sei es mit einer Wendung, mit Heiterkeit oder Tiefsinn. Damit erschafft sie ein Bild für das zuweilen verworrene Leben, welches unvorhersehbar bleibt und den einen oder anderen Haken schlägt. Unaufgeregt lebhafte Wortspiele, kluge Gedanken und subtiler Humor treffen manchmal mitten ins Herz.
Rebekka Salm mit ihrer präzisen, aufrichtigen Schmunzelsprache ist für mich zweifellos eine Entdeckung. Was Bücherschreiben betrifft, scheint sie zu wissen, wie der Hase läuft.