Fanny
Liebe alle
Nun habe ich den ersten Teil auch noch beendet. Ich komme bedeutend langsamer voran, als bei zeitgenössischer Literatur. Das hatte zu Beginn sicherlich auch damit zu tun, dass ich, wie viele von euch, mich erst an den ungewöhnlichen Schreibstil gewöhnen musste. Es ist doch eine kleine Weile her, seit ich im Gymi Literatur aus dieser Epoche gelesen habe. Allerdings habe ich mich relativ schnell gewöhnen können.
Würde Agathe gegen aussen auch als eher ruhig und zurückhaltend beschreiben. Jemand der eigentlich eine eigene Meinung hat, diese aber oft nicht äussert (äussern kann), aufgrund der Erwartungen welche an sie bestehen. Mir scheint Agathe nicht immer so ganz zu wissen was sie will und emotional wirkt sie auf mich eher etwas instabil. Gleichzeitig wirkt sie aber auch, als würde sie mehr vom Leben wollen, als Gesellschaftlich für sie vorgesehen ist. Diesbezüglich habe ich den Eindruck die Erwartung an die Frau ist schon, die fromme und fürsorgliche Gattin zu sein, die sich um ihren Mann gut kümmert und ihn umsorgt…
Ich schliesse mich bezüglich Agathes Wesen voll und ganz Metanoia an. Ich nehme stark an, dass es für eine solch sensible und doch wissensbegierige junge Frau zu dieser Zeit sehr schwer war, sich für sich einzusetzen und zu dem zu gelangen, was man effektiv möchte. Für mich eine Schlüsselszene war die mit Luise Wieding, die vom Bruder missbraucht wird. Die junge Dame wird - wohl sicherlich auch aufgrund ihres ,,niederen’' Standes - nicht ernstgenommen und die anderen verlieren gar die Achtung etwas vor ihr. Auch dass der Bruder gegenüber Agathe, die ihn mutigerweise stellt, derart herablassende Worte findet, hat mich zu tiefst berührt. Das zeigt für mich ganz klar, dass die Frau wirklich keine grossartige Stellung in der Gesellschaft hatte.
Viele Themen sind tabu und die oft kränkliche und leidende Mutter ist für Agathe nicht wirklich eine Bezugsperson. Der psychische Zustand von Agathe wird zu Beginn nicht thematisiert. Aber so im Rückblick würde ich sagen, dass sie viele Enttäuschungen erlebt und frustriert ist, weil sie an den Normen der damaligen Gesellschaft scheitert. Sie fühlt sich sehr alleine, da die anderen Mädchen anders sind und sich besser anpassen.
Ich finde, DaisyH hat der Umgang mit psychischen Erkrankungen gut zusammengefasst. Ich schliess mich ihrer Meinung an. Die Mutter leidet still und heimlich und keiner interessiert das wirklich. Gegen aussen wird sich noch kritisiert, weil sie zum Beispiel, keine Treffen für Agathe organisiert hat vor dem Ball. Sie habe sich wohl zu fest auf die Schönheit der Tochter verlassen. Diese Bemerkung fand ich doch sehr despektierlich. Auch hat mich die Geschichte berührt, als Agathe ,,abgeschoben’' wurde, weil sie das Buch, welches ihr Vetter ihr geschenkt hat, so toll fand. Es ist bezeichnend, dass rebellische Mädchen einfach in ein Internat abgeschoben werden und man sich demgemäss dem Problem einfach entledigt. Im Internat werden die Mädchen dann zurecht gezupft und kommen ordentlich wieder zurück.
Ich bin nun sehr gespannt, wie es weitergeht. Ich habe auch grosse Achtung gegenüber der Mutter, die ihre Tochter derart in ihren Unternehmungen unterstützt (z.B. der Besuch bei den Verwandten in England). So finde ich schon, dass Agathe eine stille, leidenschaftliche Rebellin ist.
Mich fasziniert es ungemein, dass dieses Buch zu Erscheinungszeiten ein absoluter Bestseller war. Viele Frauen haben dazumal meines Wissens unter einem männlichen Pseudonym geschrieben. Ich bin deswegen auch sehr gespannt, wie es in der Geschichte weitergeht.
Morgen bin ich laaaaange im Zug unterwegs und hoffe, dass ich dann schnell zu euch aufholen kann. :-)