Die Prämisse von Madita Tietgens Roman «Mittsommerbriefe» klang vorhersehbar, aber charmant. Alva, Anfang 30, hat den Verlust ihres geliebten Grossvaters, Johan, zu verkraften, der sie grossgezogen und ihr nun seine kriselnde Buchhandlung inmitten der malerischen Altstadt Stockholms hinterlassen hat. Bestsellerautor Siljan Dahlberg hat mit dem Tod von Alvas Grossvater ebenfalls seinen wichtigsten Vertrauten verloren. Als Siljan einen Brief von Johan erhält mit der Bitte, nach Alva zu sehen, muss der zurückgezogen lebende und seinen Mitmenschen misstrauende Siljan über seinen Schatten springen.
Was da wohl passieren wird? Genau, wir ahnen es gleich von der ersten Seite an. Tietgen erzählt aus allwissender Perspektive abwechselnd aus Siljans und Alvas Sicht, sodass wir die Wirkung der Figuren auf ihr jeweiliges Gegenüber gleich nochmal gespiegelt erhalten (und da knistert es gleich von Anfang an ordentlich). Das ist reizvoll und abwechslungsreich. Gut gefallen haben mir die Beschreibung von Alvas Buchhandlung und der Atmosphäre Stockholms sowie Alvas Tatkraft und vielen Ideen zur Rettung des Familienunternehmens.
Ermüdend fand ich nach einiger Zeit, dass sowohl Alva als auch Siljan sich mit ihren Gedanken und Emotionen oft im Kreis drehen und sich wiederholen. Schade war, dass Tietgen die Handlung beinahe ausschliesslich auf die beiden konzentriert und Alvas wunderbare Freunde dabei auf der Strecke und entsprechend flach bleiben. Tietgens Blick auf die Buchbranche mutet zudem recht romantisch an (ich kenne es nur so, dass Autor*innen für Lesungen bezahlt werden – und nicht umgekehrt die Buchhandlung für die Ausrichtung einer Lesung Geld vom Verlag erhält; aber vielleicht tickt Schweden da anders), aber das stört vermutlich nur all diejenigen, die in Buchhandlungen arbeiten ;-)
Wer sich an den vorgebrachten Kritikunkten nicht stört, wird Schweden zum Mittsommer erleben und sich an einer locker-leichten Lektüre erfreuen können.