Während des Lesens von “Ein perfekter Freund” war ich hin- und hergerissen. Auch jetzt, nach dem Buch, kann ich mich nicht festlegen, was ich von den Protagonisten halten soll. Einerseits wollte ich zusammen mit Fabio Rossi seine Gedächtnislücke füllen, andererseits hatte ich das hemmende Gefühl, es lieber gut sein zu lassen. Ich vermutete, dass es weh tun würde.
Dieses Dilemma zeigt mir, wie man durch die Geschichte auch das eigene Wesen entdecken kann. Es erfordert Mut, sich unangenehmen Geschehnissen oder Eigenschaften zu stellen, und die Angst, geliebte Menschen verletzt zu haben, begleitet diesen Prozess. Wo es kein Zurück mehr gibt und die Vergangenheit sich nicht mehr ändern lässt, da ist in der Zukunft Wundervolles möglich – man kann ein besserer Mensch werden, von Herzen. Die Kunst des Loslassens scheint mir bei Fabio Rossi am Ende jedoch zu schnell gelungen zu sein. Meine Gedanken, mein Tempo und deshalb werde ich noch längere Zeit an dieses Buch denken.
Martin Suter schafft es immer wieder, Raum für Interpretationen zu lassen. Seine grossartigen Erzählungen bieten neben der eigentlichen Geschichte viel Platz für eigene Gedanken. Das macht seine Werke für mich besonders wertvoll.