Der siebzigste Geburtstag von Adam Gardener steht bevor und seine Familie überlegt, wie dieses Ereignis gefeiert werden kann. Die Geschwister Abby und Ken, die längst erwachsen und aus dem väterlichen Haus auf Cape Cod ausgezogen sind, müssen sich für dieses grosse Ereignis zusammenraufen. Nach dem Verlust von Mutter Emily in ihrer frühen Kindheit haben sie sich einander sehr verbunden gefühlt. Doch diese Verbundenheit haben die Geschwister im Laufe der Jahre verloren und immer mehr Konflikte kommen ans Licht. Als sich auch noch herausstellt, dass Adam seinen Kindern jahrelang etwas verschwiegen hat, scheint nicht nur das rauschende Fest, sondern auch der Familienzusammenhalt in Gefahr.
Die Mitglieder der Familie Gardener haben durch den frühen Tod von Ehefrau und Mutter Emiliy sehr viel mitgemacht und leiden noch heute unter dem Verlust.
Adam, der bärbeissige und sarkastische Meeresbiologe, hat seine beiden Kindern alleine aufgezogen und sieht heute noch voller Trauer auf die vergangene Beziehung mit Emily zurück. Dabei ist sie seit 38 Jahren tot. Die Figur Adam erschien mir über weite Teile des Buches als wankelmütig und unausgegoren. Erst gegen Schluss habe ich erfahren und verstanden, weshalb er so skizziert wurde. Hervorragende Idee und Umsetzung der Autorin.
Sohn Ken, der gerade einmal 4 Jahre alt war, als seine Mutter starb, hat heute selbst eine Familie und versucht seinen Zwillingstöchtern im Teenageralter ein guter Vater zu sein. Ken verarbeitet in einer Therapie den Verlust der Mutter, sowie die schwierige Beziehung zu seiner Frau und ein weiteres Ereignis aus der Vergangenheit.
Abby, die ein Baby war, als Emily starb, arbeitet heute als Künstlerin und hegt grossen Groll gegen ihren Bruder. Abby muss auch damit leben, dass sie schuld am Tod der Mutter ist, da diese bei ihrer Geburt starb. Etwas, was Ken ihr bewusst oder unbewusst noch heute, im Erwachsenenalter, zu spüren gibt. Die Geschwister treibt zudem auseinander, was vielen Familien zum Verhängnis wird: ein ungleich verteiltes Erbe der Mutter.
Und dann ist da noch Steph, deren Zugehörigkeit mit der Familie ich hier offen lasse, die aber die Beziehungen der Familienmitglieder zusätzlich verkompliziert.
Adrienne Brodeur hat mit “Treibgut” einen Roman geschaffen, der eine Familie zeigt, wie es sie so viele gibt. Verbunden mit einer gemeinsamen Vergangenheit hat sich jedes Familienmitglied auseinander entwickelt und Konflikte brechen auf. Dabei beleuchtet die Autorin jedes Mitglied ausgewogen und gibt jedem der Fünf eine Stimme. In abwechselnden Kapiteln kommen Abby, Ken, Steph, Adam und Kens Frau Jenny zu Wort. Als Leser sieht man so die Sicht auf die Handlung in der Gegenwart und der Vergangenheit aus unterschiedlichen Perspektiven, was die Geschichte sehr abwechslungsreich macht. Gut charakterisierte Figuren, die mir nicht unbedingt alle sympathisch waren, verleihen der Handlung Tiefe und machen diese authentisch.
Einige Längen, wie zum Beispiel die Beschreibungen rund um Adams Arbeit als Meeresbiologe oder die Therapiesitzungen von Ken mit seinem Therapeuten George, hätten gestrafft werden dürfen.