In “Die Wildrose” begleiten wir den Lebensweg von Fionas zweitem Bruder Seamus, den wir im ersten Band noch als kleinen Jungen kennengelernt haben. Für mich macht das immer den Reiz von Mehrteilern aus: Dass sich Figuren entwickeln und verändern, aber im Grunde noch immer die Menschen sind, die mir ans Herz gewachsen sind. So habe ich auch enorm mitgefiebert, nicht nur mit Seamie, sondern auch mit Fiona, Joe, India und Charlie, die hier zwar bedeutend weniger im Mittelpunkt stehen, aber trotzdem immer wieder auftauchen.
Wie seine Vorgänger ist auch dieses Buch leicht und flüssig zu lesen. Die Autorin findet den richtigen Ton zwischen einer verständlichen und doch historisch passenden Sprache. Da es im Ersten Weltkrieg spielt, ist die Atmosphäre deutlich düsterer und spannungsgeladener, als noch in “Die Teerose” und “Die Winterrose”, wo es sich ja eher um das Thema Handel bzw. Politik drehte. Kriegszenen spart die Autorin allerdings geschickt aus, dafür bekommen wir einen Einblick in die zwielichtige Welt der Spionage.
Ich habe die Lektüre sehr genossen. Was ich allerdings nach wie vor nicht so gelungen finde, ist die Charakterzeichnung. Zwar taucht hier zum ersten Mal ein Gegenspieler auf, der nicht durch und durch verdorben ist, trotzdem finde ich, dass die Helden und Heldinnen* etwas gar zu gut geraten sind. Dass sämtliche Hauptcharaktere eine sehr moderne und fortschrittliche Haltung haben - z. B beim Thema Frauenstimmrecht - macht sie zwar sympathisch, aber nicht sehr glaubwürdig. Immerhin sind es Kinder ihrer Zeit. Besonders überzogen fand ich die Figur von Katie - Fionas und Joes Tochter - die mal eben so in der Politik Karriere macht, obwohl das damals für Frauen so gut wie unmöglich war.
Und was ich auch gar nicht nachvollziehen kann: Ständig wird davon geredet, wie zerstörerisch Seamies und Willas Liebe doch sei - aber mal ehrlich, alles was die beiden haben ist eine Affäre. Das dürfte zur damaligen Zeit wohl kaum ein Skandal gewesen sein (ausser man war Thronfolger oder eine verheiratete Frau) und so erscheint es einigermassen unrealistisch, dass ihre Zeitgenossen das dermassen kritisch beurteilen, wie es im Buch geschieht - zumal auch andere Figuren ein ausschweifendes Sexleben pflegen.
Trotzdem: Ich kann die Bücher jedem empfehlen, der gerne in Geschichten schwelgt und nach einer spannenden Story mit wunderbaren Liebesszenen sucht.