Scott Alexander Howard schafft es in seinem Buch durch eine reduzierte Sprache und mit dem Blick der Protagonistin erstaunlich mühelos, eine völlig andere, faszinierende Welt zu kreieren - ganz ohne das Worldbuilding, dass wir aus der Phantastischen Literatur kennen. Wir erfahren alles aus der subjektiven Linse der Protagonistin und erfahren nur das, was auch für sie relevant ist. Das funktioniert richtig gut und lässt gleichzeitig genügend Fragen offen, sodass die Neugierde für mich als Leser stets da ist und die ganze Geschichte eine Spur des Mysteriösen beibehält.
Der Schreibstil des Autors unterstützt zusätzlich den Lesefluss, der sofort einsetzt und praktisch nie mehr wirklich abreisst. Gerade auch die Perspektive, die der Autor hier wählt zusammen mit der reduzierten Sprache, verleihen der Geschichte Glaubwürdigkeit, ohne dass man die Rahmenhandlung mit den Tälern und den Zeiten hinterfragt oder dass dieser Umstand stört - er ist einfach da und Teil der Welt der Protagonistin. Trotz der nicht ganz so einfachen Rahmenhandlung liest es sich gut, ohne grosse Hindernisse.
“Das andere Tal” ist ein Buch, dass viel vereint. Es hat phantastische Elemente, behandelt zeitgenössische Themen, forscht nach den Grundfragen des Menschsein und liefert eine Coming-of-Age-Geschichte. Es ist ein Roman, angesiedelt irgendwo zwischen Surrealismus und Existenzialismus. Und bietet so viel mehr, als die eigentliche Geschichte der Protagonistin - die an sich schon viel anbietet. Es ist ein Buch, dass man ein zweites Mal lesen kann oder soll. Weil eben ganz viel zwischen den Zeilen steht und es sich beim zweiten Mal anders liest. Wie ein anderes Buch, dass doch dem ersten so sehr zu ähneln scheint.