Kaum zu glauben, dass man das so wunderbar erzählen und es die Leser und Leserinnen gleichzeitig so nachfühlen lässt, ist doch das Leben auf der Müllhalde alles andere als “dufte”. Hart, stinkend, lauter Abfall - hausen im Müll, sich vom Müll ernähren, mit Müll kleiden und selbst der Abfall sein.
Der Autor Castro hat diesen Roman - seinen ersten - schon 1993 geschrieben und ihn später überarbeitet und gestrafft. Wie betroffen ihn die Umstände in Costa Ricas Grossstadt machen spürt man beim Lesen dieser Erzählung.
Ùnica strandet auf der Müllhalde und muss sich fortan dort durchs Leben schlagen. Nachdem der prekäre Lehrermangel behoben war, verlor sie, ca. 25 Jahre alt, ihre Stelle und hatte nichts mehr. Auf der Müllhalde kann sie sich durchschlagen. Sie ist die, welche auf Umgangsformen achtet und auch die Gemeinschaft fördert. So gibt es gemeinsame Mahlzeiten. Es kommen weitere Hauptpersonen dazu, ein Junge, den sie aufnimmt, ein Mann, der eine Soutane findet und künftig die Sonntagsmesse hält und später ein Mann, der in Ùnicas Unterkunft ein Zuhause findet. Das Leben auf der Müllhalde plätschert dahin. Die Bewohner werden “Taucher” genannt, weil sie in den Müll tauchen, um nach Brauchbarem zu graben. Eines Tages gibt es Neuigkeiten. Der Müll soll einen anderen Standort erhalten. Das erschreckt die Taucher. Es kann ihre Existenz gefährden. Aber die anderen Stadtteile wollen bei sich keine Deponie haben. So zieht sich diese politische Angelegenheit ebenfalls dahin. Der Mann, der bei Ùnica wohnt, glaubt, dass sie als Bewohner der Müllhalde eine Stimme haben, die gehört wird.
Die riesige Müllanlage der Stadt ist Realität, ebenso viele Ereignisse. Die Personen sind fiktiv.
Der Schreibstil ist unglaublich - sehr schön, poetisch und klar. Auch die Schäbigkeit kommt zum Ausdruck. Wie Contreras Castro das Geschehen beschreibt hat derart viel Ausdruckskraft. Das ist auch der grossen Leistung der Übersetzerin zu verdanken. Die Sprache - Schönheit in einer sanften Ausdrucksform und dann wieder viel Härte. Der Kommentar auf der Umschlagrückseite trifft es gut: “Hingebungsvoll und ekonnt fabulierend mischt Castro Elemente des magischen Realismus mit harten Fakten. Eine zeitgemässe und wirklich lohnende Lektüre.” Kommbuch
Am ersten Sonntag des fünften Monats auf der Müllhalde verlor Única schliesslich ihre letzte unschuldige Naivität, als der Pfarrer sie nicht in die Kirche liess und sie stattdessen bat, erst dann wieder zur Messe zu kommen, wenn sie eine Arbeit gefunden hätte und das Haus Gottes anständig betreten könnte, andernfalls würde sogar die Bank anfangen zu stinken, auf die sie sich setzte. “Gott liebt alle seine Geschöpfe”. “Gott herrscht im Himmel, aber hier herrsche ich, und ich mag es nicht, wenn meine Kirche voller Obdachloser ist.”
El Bacán kümmerte sich darum, den Baum zu schmücken - Obstsalatdosen, Klopapiergirlanden, Stoffstreifen und Schneeflocken aus Styropor, das aus den Schachteln von Haushaltsgeräten stammte, Puppen, Plastiksoldaten, Raumschiffe und durchgebrannte Glühbirnen. Und so landete Weihnachten auf der Müllhalde.
“Oh Gott, Única, es gibt einfach keine Gerechtigkeit auf der Welt …” ächzte Mondolfo tränenerstickt. “Gibt es schon …” …, “aber niemand stellt sie her.”