Nino ist 31 und trägt nicht gerne Hausschuhe.
Als Jugendlicher hatte er für seine Mitschülerinnen nicht existiert, was ihn nicht gestört hatte. Nino war gerne alleine und hat viel gelesen. «Die Geschichten, die ich heute lese, sind meine Erfahrungen von morgen», hat er sich damals gedacht. «Wenn ich gross bin, dann … » Dann kam nie. Den Glauben an etwas Grosses hat Nino aufgegeben.
Bei seiner Schwester Sina fühlt sich Nino geborgen, aber auch ausgestellt und beobachtet. Die Vergangenheit wird präsent. Sina erinnert Nino an Mutter.
Präzise beobachtet und beschreibt Yvonne Eisenring die Familie und die vertrauensvolle Geschwisterliebe – hier die Unlust, die Energielosigkeit von Nino; dort die aktive und lebenstüchtige Schwester Sina. (So wie es auch bei Vater und Mutter war.)
Vero ist die grosse, aber vergangene Liebe von Nino. Sie war eine Seelenverwandte – die einzige in seinem Leben. Wieso die Beziehung nicht überdauert hat, ist die grosse Frage, die mitunter die Spannung durch das Buch trägt.
Des Weiteren: Berlin, London, New York – Lisa, Alex, Wera, Gina, Jane Bay – da ein bisschen Sex, dort ein bisschen Smalltalk. Aber nicht nur. Aus wechselnder Perspektive wird jeweils eine Szene aus der männlichen Optik durch den Protagonisten Nino erzählt – dann reflektiert die weibliche Figur dieselbe Szene. Und dieser unterschiedliche Blickwinkel ist die eigentliche Stärke des Romans. Viele Schattierungen des weiblichen (oder menschlichen Lebens?) vermag die Autorin so abzubilden. Wir als Leserinnen finden uns so immer wieder in den Episoden von Yvonne Eisenring.
Das Stilmittel der wechselnden Perspektive und die Erklärung der Autorin mit der Stimme von Ivy (Eva): Eva erklärt Nino das menschliche System von Subjektivität: «Das gleiche Ereignis kann von zwei Menschen völlig unterschiedlich erlebt und völlig verschieden in Erinnerung behalten werden. Wir wissen nie, wie sich eine Sache für unser Gegenüber anfühlt.»
Überhaupt: Ivy-Eva wird zur Schlüsselfigur.
Das sehr schöne und überraschende Ende:
Ivy (die schon lange gerne schreiben wollte) beginnt endlich mit ihrem Buch. Sie schreibt als erstes den Titel NINO. Und so schliesst sich ein magischer Kreis.
Yvonne Eisenring – easy Ivy
Die Autorin spielt magisch mit den Buchstaben. Und sie mag das Spiel mit den Figuren. Gerne würde ich sie zum Schluss fragen, ob sie Ovo-Crunchy mag.
Ein kluger, ja cleverer Roman mit Abgründen und Höhenflügen.