Jonas Lüschers “Frühling der Barbaren” habe ich schon oft an Männer verschenkt, immer mit guter Rückmeldung. Der Band ist schmal, sehr fesselnd, super geschrieben und wirklich hochinteressant: Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie dünn die Haut “Zivilisation” ist, und über welchen Morast an triebhaftem Verhalten sie sich spannt.
Ganz kurz die Handlung: ein Fabrikant aus der Schweiz wird zu einer crazy rich Hochzeit nach Tunesien auf eine Oase eingeladen, es heiraten dort Londoner Banker - die natürlich ebenfalls crazy rich sind. Und dann, tadaa: Crash der Finanzwelt, Staatsbankrott Englands. Weil die Hochzeitsgäste noch schlafen, erfährt es es Betreiberin der Luxusoase zuerst. Sie weiss: keine Kreditkarte dieser Gäste ist noch was wert, keiner zahlt ihr nun das üppige Fest.
Und die Gäste wissen: wir sitzen hier fest in dieser Wüste. Arbeitslos, überschuldet, verzweifelt. Der Hotelshuttle steht nicht zur Verfügung, ein Taxi können sie sich mit ihren Kreditkarten auch nicht mehr leisten.
Und dann eskaliert die Situation. Blitzschnell wird aus der sogenannten “guten Gesellschaft” eine alles entstellende Fratze.
Lüscher wollte übrigens in Philosophie promovieren, hat es aber zugunsten der Schriftstellerei sein lassen. Man merkt die Tiefgründigkeit seinen Büchern an. Der zweite Roman “Kraft” ist auch hoch philosophisch, aber um einiges komplexer und umfangreicher als diese kleine Geschichte aus der tunesischen Oase. Lesenswert sind sie alle beide, über die Massen!