Dunkelblum liegt am Rande von Österreich, im Burgenland angrenzend an Ungarn. Eine Stadt, die wie so viele, all das zwischen 1935 und 1946 geschah, nur allzu gerne auf die Untaten der russischen Besatzer nach der Niederlage reduziert. Vergessen wurde die Begeisterung, mit der die weissen Fahnen 1938 gehisst wurden, als der Anschluss an Hitlers Reich vollzogen wurde. Vergessen die Vertreibung der jüdischen Mitbürger, vergessen wie sich Dunkelblumer schamlos deren Eigentum unter die Nägel rissen. Vergessen die Behandlung der Zwangsarbeiter, die sich für das letzte wahnsinnige Aufbäumen im Südodtwall des Führerstaates buchstäblich zu Tode schufteten, angetrieben von lokalen Grössen. In diesem Sommer 1989 spaziert der ehemalige Gaukeiter Dr. Ferbenz als angesehener Bürger der Stadt, sonnt sich in seiner Wohltätigkeit und nur allzu gut ist er sich einig mit sich und den Kameraden seiner Zeit, dass das damals nicht so falsch und schlimm war, wie das Einfallen der Russen. Doch dann beginnen junge Leute den jüdischen Friedhof zu renovieren, es wird eine Leiche gefunden und die aus der Hauptstadt heimgekehrten jungen Leute stellen jene Fragen, deren Beanwortung genau jene verschwiegenen Geschehnisse tangieren. Ich war nach wenigen Sätzen schockverliebt in dieses Buch. Mit welcher Kraft, und grandioser Erzählfreude entführt Eva Menasse uns als Lesende in diesen Mikrokosmos einer Stadt, in der man weiss, wozu man besser schweigt. Mit Liebe fürs Detail beschreibt sie Leute und ihre Geschichten, immens spannend, oft auch augenzwinkernd und mit bösem Schalk. Man ahnt, was kommen wird, und geniesst dennoch jede Episode des Plots. Es rumort, der eiserne Vorhang wankt und unter den Kräften, die sich so entfalten, fällt der kleinstädtische Konsens in sich zusammen. Die Gräben, die da aufbrechen, der Sumpf des Verschweigens und gewollten Vergessens, einer Naturgewalt gleich rollen sie über die Stadt und bald ist Dunkelblum im Fokus der nationalen und internationalen Medien. Ein gewaltiges Buch in souveräner Leichtigkeit geschrieben, das dem Vergessen und Verschweigen einen Spiegel vorhält.