Zum Buch: Um es gleich vorwegzunehmen. Als jemand der sich eher auf der bürgerlichen Seite sieht, hat mir dieser Roman «das linke Auge» etwas geöffnet. In seinem Debütroman schreibt der Autor über die Flucht eines jungen Mannes namens A. Er wird vom iranischen Regime politisch verfolgt. Seine atheistische Einstellung, seine Grundhaltung als Student macht ihn zur Angriffsfläche für Jugendbanden. Obwohl seine Familie seit Generationen in der Hauptstadt lebt, wird er wegen seines lukrisch-kurdischen Nachnamens verhöhnt. Seine Beziehung zu seiner Freundin muss er beenden. Streitereien, bis hin zu Erpressungen betreffend seine Hochzeit werden unerträglich. Eine Flucht ins Ausland, dies scheint die Lösung für ihn zu sein.
Er hat die finanziellen Mittel, um aus dem Iran auf eher unübliche Weise zu flüchten. Er landet per Flugzeug in Österreich. Nach der Ankunft muss er feststellen, dass er in doppeltem Sinn, in die europäische Kälte geflohen ist. Asylanten bekämpfen sich in den Empfangsunterkünften gegenseitig. Sei es aus konfessionellen oder Gründen der Herkunft. Zudem ist er im Besitz einer ordentlichen Summe an Bargeld. Für die Behörden ist dies äusserst suspekt. Sie können schlecht verstehen, dass ein Mensch mit so viel Geld flüchtet. Solche Menschen werden nicht selten als Eindringlinge in ihren Alltag gesehen. Flüchtende kämpfen im eigenen Land gegen Ungleichheiten, gegen Tyrannei. Im fremden Land kämpfen sie dann gegen die Windmühlen der Bürokratie. Es scheint mir klar zu sein, dass die Romanfigur A. die Geschichte von Amir Gudarzi selbst ist.
Zum Autor: Amir Gudarzi, in Teheran geboren, besuchte dort die Theaterschule und studierte szenisches Schreiben. Flüchtete nach Wien und erhielt 2017 die österreichische Staatsbürgerschaft.
Zitate aus dem Buch: «… ich wollte mich gegen die Ungleichheit und Tyrannei stellen… Nun aber kämpfe ich gegen Windmühlen der Bürokratie, gegen hohle Worte.» «Wir sind wohl wie ansteckende Krankheiten, deshalb soll man uns meiden.»
Zum Cover: Meine Interpretation: Das Ende, welches so nah ist, wird in gefährlichen, roten Bergketten dargestellt. Derweil der Blick in die weite Alpenwelt das Ungewisse eines Flüchtlings symbolisiert.
Fazit: Als politisch bürgerlich denkender Mensch, der auch keine Lösung für das Flüchtlingsproblem hat, wird mir beim Lesen dieses Buches bewusst, was es bedeuten kann, ein echter Flüchtling zu sein. Bei all der Dramatik muss ich festhalten, dass es Stellen im Buch gibt, bei der etwas Kürzung angebracht wäre. Dafür überraschte mich das Ende der Geschichte welches “so nah ist”.