Als Piero Bianconi mit etwas mehr als 60 Jahren seinem Tessiner Heimatdorf Mergoscia einen Besuch abstattet, ist der Bau des Verzasca-Damms fast vollendet. Und mit ihm endgültig eine Welt zu Ende, die vom kargen Leben im Einklang mit der Natur kündete, vom Geruch gerösteter Kastanien, von herumziehenden Scherenschleifern und Kaminfegern. Das Dorf ist beinahe verlassen und nur im Haus seiner Grosseltern mütterlicherseits findet er Hinweise auf die entbehrungsreiche und von Tüchtigkeit geprägte Geschichte seiner Vorfahren: Eine Truhe voller Dokumente, Verträge und Briefe. Anhand dieser Schriftstücke lässt Bianconi die Vergangenheit wieder aufleben und erzählt auch die Geschichten jener zahlreichen Vorfahren, welche der Armut zu entfliehen suchten und sich nach Übersee, nach Australien oder Amerika, aufmachten - und oftmals mit noch weniger in der Tasche wieder zurückkehren mussten. Es sind aber nicht nur diese Schilderungen einer unwiderruflich vergangenen Zeit, die mich beim Lesen mit einer fast körperlich spürbaren Wehmut erfüllten. Bianconi befand sich zu dem Zeitpunkt, als er das Buch verfasste, selbst im Übertritt zu jenem Alter, das ihn merklich von der Wirklichkeit der jüngeren Generation trennte. Seine philosophischen Betrachtungen über die Zeit, über Erlebtes und Erinnertes und deren Wert, haben mich zugleich mit Trauer und Glück erfüllt. Selten schön!