Navid Kermani gehört für mich zu den ganz grossen Schriftstellern und zeitgenössischen Humanisten. Im Auftrag des “Spiegel” reiste er im Jahr 2017 von seiner Heimat Köln über das östliche Europa und den Kaukasus bis nach Isfahan im Iran, dem Herkunftsort seiner Eltern. Sein Weg führt ihn - wie der Titel verrät - entlang den Gräben, die sich in Europa entweder hartnäckig gehalten oder in jüngster Zeit aufgetan haben, entlang der kulturell-historischen Grenze zwischen Ost und West. Dank Kermanis Neugierde, Toleranz und Einfühlungsvermögen rücken Landstriche, Städte und vor allem Menschen, die in unserem Alltag vergessen schienen, zurück ins Licht. Die jüdische Überlebende in Krakau, der junge Soldat im Donbass, der alternde Grenzwächter in Aserbaidschan: Sie alle kämpfen mit einer inneren Zerrissenheit, müssen zwischen zwei Realitäten wählen, sich auf eine Seite schlagen. Kermani erweckt ihre Erinnerungen, ihre Hoffnungen und Ängste zum Leben und erweist dem Leser damit einen unbezahlbaren Dienst: Die Bekräftigung, dass es nicht die eine Wahrheit gibt und dass es sich lohnt, ja notwendig ist, unvoreingenommen aufeinander zuzugehen und einander zuzuhören. Ich wünschte mir, Kermanis Reise würde niemals enden…