Nivedita ist entsetzt: Ihre heiss geliebte Professorin Saraswati ist gar nicht Inderin sondern weiss. Aber was macht eine Inderin aus? Und was sind die Attribute für “weiss”? Diesen Fragen und jener, was Identität ausmacht und was die Göttin Kali zu alldem beizutragen hat, geht “Identitti” nach. Oder versucht es zumindest.
So sehr ich mich für die vielen bewussten und unbewussten Facetten von Rassismus interessiere und versuche, Zugang zu den verschiedensten Perspektiven zu bekommen, habe ich das bei dieser Lektüre nicht geschafft. Thematisch waren einige der Dialoge und inneren Monologe durchaus sehr interessant und anspruchsvoll. Zwei, drei mal habe ich sogar das Buch beiseite gelegt und über das soeben Gelesene nachgegrübelt. Das war es dann aber auch schon. Der weitere Zugang blieb mir verwehrt.
Keine einzige der Figuren hatte auch nur einen Funken meiner Sympathie gewinnen können. Es ist mir klar, dass die Zeichnung der Charaktere überspitzt und teilweise äusserst zynisch ist. Und so sehr mir gesellschaftskritischer Zynismus Spass macht, fand ich hier keinen Zugang dazu. Ich frage mich, ob ich das Buch anders gelesen hätte, wäre ich näher an den Figuren dran: Wenn ich jünger wäre, studierter oder man mir meinen Ausländeranteil ansehen würde. Darüber muss ich noch ein wenig nachdenken.
Sprachlich springt die Autorin gekonnt zwischen den Figuren hin und her und schafft es, diesen stilistisch ihre ganz eigene Identität zu verleihen. Gekonnt auch die Beleuchtung der menschlichen Psyche und dem Verlangen bzw. der Frage nach Zugehörigkeit. Und last but not least kann Rassismus in unserer Gesellschaft nicht genug thematisiert werden, weil er - vielleicht mehr denn je - immer noch hinter vielen Ecken lauert und in so vielen Lebenssituationen omnipräsent ist. Alles in allem ist “Identitti” kein schlechtes Buch - einfach nicht so meins.