Um sie herum ist völlige Schwärze und nur ein sehr enger Raum, welcher ihren Bewegungsradius minimiert und mit glatten, weichen Stoff ausgekleidet ist - ein Sarg.
Entsetzen und Panik überkommt sie, doch alle Versuche sich aus diesem Gefängnis zu befreien scheitern. Es gibt kein Entrinnen, sie wird in diesem Sarg ersticken…
“Sie” ist Eva. Eine vermögende aber völlig zurückgezogen lebende Erbin, welche erleichtert und scheinbar unbeschadet aus einem Traum erwacht. Unbeschadet? Traum? Beim Anblick ihrer Arme und Handgelenke stutzt sie - dort sind rötliche Flecken und auch die Schmerzen in Händen und Füßen lassen sie Zweifeln.
Zeitgleich sitzt Hauptkommissar Bernd Menkhoff über aktuellen Tatortfotos. Eine nackte Frauenleiche wurde gefunden. Im Wald. Verscharrt in einem Sarg - alle Hinweise deuten darauf, dass sie lebendig begraben wurde.
Ein schwarzes Buch, der Autorenname in weißen Großbuchstaben, ein eindrucksvoll in den Buchdeckel geprägter rötlicher Titel und das Bild, einer auf der Seite liegenden, ängstlich blickenden Frau, welche wie durch einen Türspalt beleuchtet sich aus dem schwarz des Hintergrundes herauskristallisiert - mehr braucht es als Zutaten nicht, um einen Strobel Thriller kenntlich zu machen.
Man nehme klare Worte, schnipsel einige Blicke in die Abgründe der menschlichen Seele hinein, stelle ihnen Personen mit Hintergrund anbei, würze es mit Intrigen, Habgier und Lügen, lasse es nicht nur köcheln, sondern gezielt aufkochen und abkühlen und heraus kommt ein Lese-Menü, welches noch lange im Gedanken des Lesers bleibt, ohne ihm dabei auf den Magen zu schlagen.
“… ihr Körper krampfte sich derart zusammen, dass ihr Kopf wieder gegen den Deckel knallte. Sie wand sich, versuchte sich umzudrehen, noch immer hustend, schaffte es nicht. Sie verschluckte sich, drohte zu ersticken. Einem epileptischen Anfall gleich zuckten ihre Gliedmaßen unkontrolliert, knallten in einem unregelmäßigen Stakkato gegen die Wände …”
Wenn Angst greifbar und Kälte spürbar wird, dann beginnt das Spiel des Arno Strobel. Ein Spiel, in dem der Leser permanent die Perspektive zwischen Opfer, Ermittler und Täter wechselt und sich jedes Mal aufs Neue mit Eindrücken konfrontiert fühlt und auseinandersetzen muss. Er spielt sowohl mit dem Tempo als auch mit den stetig wechselnden Handlungsorten, wobei der Leser in keiner Sekunde den Faden verliert sondern kontinuierlich durch die sehr logische und konsequente Geschichte geführt wird.
Die von Arno Strobel gezeichneten Persönlichkeiten wirken sehr real und lassen keine Fragezeichen offen. Mit viel Liebe zum Detail wachsen die Figuren innerhalb des Romans und ziehen den Leser immer tiefer mit in ihr Innerstes hinein, lösen sowohl Verständnis als auch Unverständnis aus.
Nach Das Wesen ist Der Sarg für mich nicht nur ein Wiedersehen mit der markigen Figur Bernd Menkhoff, sondern auch hinsichtlich der Grundthematik ein starkes Buch. Auf diese kann ich hier aus spannungstechnischen Gründen leider nicht weiter eingehen.
Insgesamt ist Der Sarg ein toller Thriller mit einem kleinen Kritikpunkt. Es gibt eine Sache, die mir persönlich manchmal bei Arno Strobel fehlt und dass ist die Tiefe in den jeweiligen Dialogen zwischen den Protagonisten. Hier bleibt er zeitweise ein wenig zu sehr an der Oberfläche und bringt nicht die ganze Tragweite der Handlung zur Geltung. Die Intensität, die er bei der Beschreibung von Gefühlen in grenzwertigen Situationen mit Leichtigkeit an den Tag legt, geht hier leider ein wenig verloren. Was nicht bedeutet, dass er nicht beim nächsten Buch weiß, genau diese Scharte auszuwetzen.