(Inhalt vgl. Cover)
Der Schreibstil hat mir gut gefallen: einfache Sätze aber detailgetreu und damit bildhaft, lebendig, schnörkellos. An der Erzählweise haben mir gefallen, dass der Autor wichtige Informationen in einen Nebensatz gelegt hat. Beispiele:
- “Tom stand auf und senkte das Kinn auf die Brust. Ein anderes Gefühl ohne Bart.” –> er sagt nicht, “ er hat sich den Bart abrasiert”. Aber dadurch weiss man es trotzdem. So als Nebensache, aber für Laura wichtig, denn sie wollte ja keinen Mann mit Bart.
- “Das Rauchen hatte er vor einem Jahr aufgegeben, die Liebe vor sechs Jahren.” (Tom)
Oder er hat vereinzelt respektvoll Humor eingestreut. Beispiel: “Der Anzug, den er trug, war aus zu viel Stoff für seinen mageren Körper.” –> er sagt nicht, “war zu gross”. Somit konnte ich mir die Figur viel besser vorstellen. (Stotz)
Dass die gesundheitliche Situation von Peter Stotz wohl im Mittelpunkt steht, aber der Autor mit einer Leichtigkeit damit umgeht, macht die Geschichte nicht bedrückend resp. ermöglicht den Fokus auf die eine grosse Liebe in seinem Leben. Schön fand ich die Kamingespräche, d.h. die Rückblenden/Informationen zu Melody. Ich habe mir die Situation jeweils bildlich vorgestellt: die Stotz erzählt, Tom hört zu und beide trinken Whisky oder Armagnac. Interessant fand ich die Menue-Beschreibungen und ich war immer wieder gespannt, was heute auf dem Plan steht. Am liebsten hätte ich mich wegen des Essens, der Tradition zu Tisch und den Gesprächen dazu gesetzt. –> die Rezepte sind im Kochbuch “La Mia Cucina” (Patrizia Fontana) enthalten!!
Spoiler! Der Schluss war für mich nicht stimmig, weil mir nicht klar war, ob Melody wirklich gestorben war und wann, oder ob er sie einfach Evgenia genannt hat? Evgenia, die Krankenschwester, wurde ja dann von den Kindern (Ariadni und Abraxas) gefragt: “Bist du froh, dass sie weg sind, Mama?”
Ich fand schnell in die Geschichte, weil relativ schnell die beiden Hauptprotagonisten «unter sich» sind. Ich muss nicht zig-Figuren kennenlernen resp. es fällt mir leichter ihre Rollen einzuordnen, wenn ich bei den beiden Hauptprotagonisten schon weiss, um wen es geht.
Für mich fing die Geschichte an spannend zu werden in dem Moment in welchem Tom den Job annimmt und bei Stotz einzieht. Ab etwa der Hälfte nahm die Spannung zu, als vermutet wird, dass Melody noch lebt. Entweder ist sie untergetaucht wegen der Familienehre welche sie beschmutzt hat, oder sie wurde entführt.
- Peter Stotz finde ich einen interessanten Mann, mit ihm hätte ich mich gerne einmal beim Essen oder am Kaminfeuer unterhalten. Ich hätte gerne noch etwas mehr aus Peter Stotz’ Berufs- und Politiker-Leben erfahren.
- Tom Elmer: ich bewundere ihn, dass er so anpassungsfähig gewesen ist. Er kam aus der verwöhnten Umgebung in eine wohl sehr angenehme und gut bezahlte Stelle, die jedoch keine grosse intellektuelle Herausforderung an ihn darstellte. Mir gefiel auch seine Wertschätzung dem Hauspersonal gegenüber. Ich hätte gerne noch etwas mehr über diesen Aspekt erfahren (Selbstreflexion z.B.).
Diogenes-Cover gefallen mir ganz allgemein nicht. Das Bild von Melody passt zu ihrer Verlobungszeit. Die Farben passen zu ihrem marokkanischen Hintergrund.
Fazit: Ich hätte das Buch irgendwann auch ohne Leserunde gelesen. Und dies obwohl ich von den zuletzt gelesenen Suter-Büchern nicht begeistert war und obwohl ich den Preis unverschämt finde.