Anna Katharina Hahns Roman „Kürzere Tage“ ist ein kleines Kunstwerk. Im Zentrum stehen eine Handvoll Bewohnerinnen und Bewohner einer Strasse in Stuttgart, deren Lebensgeschichten mehr oder weniger verzweigt sind – es handelt sich um keine homogene Gruppe, sondern wirklich um einen Querschnitt (die ehemalige Partyqueen, die jetzt mit ihren Kindern die Rudolf Steiner Methoden verwirklicht, das alte Ehepaar, das sich schweigend den Unbillen des Alters stellt, das moderne Paar, beide berufstätig, wobei ihr Gehalt nichtmal für die Miete der gemeinsamen Wohnung reichen würde) etc. All diese Figuren haben eine Vergangenheit, die sie nicht unbedingt einholt, aber doch extrem prägt. Hahn schaut genau hin (macht sie immer), das Bemerkenswerteste an dieser Schriftstelelrin ist in meinen Augen, dass sie einem immer wieder Dinge aufzeigt, von denen man das Gefühl hat: „das hätte ich doch auch sehen können, wenn ich nur gut genug hingeschaut hätte!“. Absolut grossartig.