Die Geschichte beginnt 1934 in Frankreich mit Marie-Laure, gerade 6 Jahre alt, die als kleines Mädchen erblindet ist. Ihre Mutter ist gestorben und so begleitet sie ihren Vater zur Arbeit ins Museum, wo sie sehr viel lernt über Tiere. Insbesondere die Schalentiere im Wasser faszinieren sie. Auch das Lesen. Sie liebt die Geschichte von Nemo, 20′000 Meilen unter dem Meer. Parallel dazu der zweite Hauptprotagonist Werner, ein Junge, der mit seiner jüngeren Schwester in Deutschland in einem Waisenhaus lebt.
Er ist von Technik fasziniert und hochbegabt, auch in Mathematik. Er bastelt einen Radioempfänger, über welchen er und seine Schwester Nachts Sendungen lauschen - ein Geschichtenerzähler und Musik.
Mit dem Ausbruch des Krieges verändert sich sowohl für Werner als auch für Marie-Laure das Leben. In verschiedene Richtungen. Marie-Laure und ihr Vater müssen fliehen und finden in St. Malo Unterschlupf. Werner muss in die “Schule” und wird schliesslich gebraucht, um Empfänger und Sender zu reparieren und Sender zu orten.
Es sind verschiedene Erzählstränge, immer vom einen zum anderen, mit Rückblenden in frühere Kindheit und mit dem Geschehen um 1944, wo Deutschland in Bedrängnis gerät und die Alliierten schliesslich im August St. Malo bombardieren.
Dabei geht es nicht primär um Krieg, sondern um menschliche Stärken und Schwächen. Um Liebe und Grausamkeit. Werner, der sein Handeln offensichtlich hinterfragt und doch handelt, wie ihm befohlen wird. Das Beispiel seines Freundes, der nicht gegen seine innere Stimme handelt, der als schwach gilt ind doch der Starke ist. Es wird nicht ausgesprochen im Buch und um so mehr förmlich spürbar. Die Verbindung zwischen Marie-Laure und Werner, die klar ist und doch rätselhaft. Nähern sie sich an?
Immer verwoben mit etwas Magischem. Nicht zuletzt auch wegen dem Diamanten, zu dem sich ein weiterer Erzählstrang durch das Buch zieht. Dieser Erzählstrang verwebt vieles und hat einen ganz eigenen Spannungsbogen. Ein weitere Verbindung tut sich über “Sender” und “Empfänger” auf. Der Sender der Erzählungen ist ebenfalls eingebunden in die Geschichte. Das ganze Wechselspiel ist faszinierend, absolut nicht verwirrend und hat dazu beigetragen, dass ich das Buch nicht weglegen wollte.
Auch die Natur, Marie-Laures Hingebung zu den Büchern, ihre Liebe zu den Meeresbewohnern und zum Meer macht einen grossen Teil aus. So gelingt es Doerr auf eine wunderbare Weise, das Erdrückende des Krieges, des Elendes und menschlicher Abgründe immer wieder aufzuhellen.
Das Buch enthält sehr viele sehr kurze Kapitel. Es ist absolut mitreissend gemacht und in einer schönen Sprache geschrieben, die mich vollkommen eingenommen hat. Ich konnte kaum davon lassen.
Ein weiteres Buch in der Liste der Lieblingsbücher.
Was hat Kapitän Nemo gesagt? Das Meer ist ausserhalb der Macht der Tyrannen.
Marie-Laure hat das Gefühl, dass ihr Leben ganz so wie in Jules Vernes Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, in zwei Bände aufgeteilt wurde. Im ersten Band lebte sie mit ihrem Vater in Paris, wo er im Museum gearbeitet hat, und jetzt sind sie in Band zwei, in dem die Deutschen mit ihren Motorrädern durch diese merkwürdigen, engen Strassen fahren und ihr Onkel in seinem eigenen Haus verschwindet.
Am meisten jedoch vermisst er (Werner) Jutta, ihre Treue und ihre Widerspenstigkeit, und dass sie immer zu erkennen scheint, was richtig ist.
“Wie sehe ich (Marie-Laure) aus, Madame?” “Du hast tausend Sommersprossen.” “Papa hat immer gesagt, sie seien wie die Sterne am Himmel. Wie Äpfel in einem Baum.”
“Aber wir sind die Guten, nicht wahr, Onkel?” “Ich hoffe es, ich hoffe, dass wir das sind.”