Das oben genannte Buch ist eine Gemeinschaftsarbeit von Irvin Yalom und seiner Frau Marilyn. Beide können auf lange und erfolgreiche Karrieren zurückblicken: Er war ein Psychotherapeut in den USA, sie eine Literaturwissenschaftlerin. Beide haben eine ähnliche, wenn doch unterschiedliche Geschichte. Ihre jüdischen Eltern wanderten einst in die USA aus, um dort ein neues Leben zu beginnen. Während er in einem gefährlichen Viertel aufwächst, wächst sie in einem gutbürgerlichen auf. Beide Väter hatten einen Lebensmittelladen, quasi um die Ecke. Dennoch lernen sie sich erst im Teenageralter kennen und dies ausgerechnet über Bücher! Diese Liebe zur Literatur verbindet die beiden ebenso sehr wie die Liebe zur Familie und den Kindern. Nun sind beiden Ende 80, als bei ihr ein multiples Myelom, welches zum Tode führen wird, diagnostiziert wird. Sie hat dann auch die Idee für dieses gemeinsame Buch, mit dem sie anderen Menschen in einer ähnlichen Situation vielleicht helfen können. Das Buch sollte Menschen, die ebenfalls sehr lange miteinander liiert sind/ waren Trost spenden. Nach Monaten des Leidens durch Bestrahlungen, Chemotherapien etc. beschliesst sie, dass sie, wenn der nächste Zyklus keine Besserung bringt, auf die medizinisch begleitete Sterbehilfe zurückgreifen will. Er kann es nicht verstehen. Zunächst störte mich seine Art wie er versuchte ihr ihr Vorhaben auszureden, aber mit etwas Abstand wird klar, das ist die pure Verzweiflung. Er liebt sie abgöttisch und sie ihn. Beiden haben ähnliche Gedanken: Für sie ist es nur schwer erträglich ihren Mann allein in der Welt zurück zu lassen, er hingegen kann sich ein Leben ohne sie überhaupt nicht vorstellen. Beide schildern in abwechselnden Kapiteln was sie denken, fühlen und wovor sie angst haben. Das gelingt ihnen sehr eindrücklich und nachhaltig. Ich kann beide Seiten gut nachempfinden, wenn ich auch mehr bei ihr bin. Ihre schonungslose Offenheit und der innere Zwiespalt zwischen weiterkämpfen und sterben wollen, haben mich sehr beeindruckt. Dies vielleicht auch, weil ich selbst aus eigener Erfahrung im Familien- und Freundeskreis kenne. Mitten im Buch stirbt Marilyn im Kreise ihrer Lieben. Danach schildert Irvin Yalom wie er versucht mit dem Verlust zurecht zu kommen und weiterzuleben. Auch hier wird ein Kampf geschildert, der zwischen Lebensmut und Melancholie. Insgesamt hat es mich ein wenig gestört, dass er immer wieder seine eigenen Fachbücher ins Feld führte, mit denen er sich selbst zu trösten suchte. Ich möchte das nicht negativ beurteilen, da jeder Mensch anders mit Trauer und Verlust umzugehen vermag. Dennoch war das für mich ein bisschen zu viel Eigenlob seiner Leistungen und Schriften. Besonders erinnere ich mich an den Ausspruch Nietzsches "Viele sterben zu spät, und Einige sterben zu früh. Noch klingt fremd die Lehre: „stirb zur rechten. Zeit!“, welches am Anfang des Buches kurz skizziert wird. Die Frage muss wohl jeder für sich beantworten. Aber gibt es den richtigen Zeitpunkt zum Sterben überhaupt? Nebst der einfühlsam erzählten Liebensgeschichte der beiden, regte mich das Buch auch zum Nachdenken über die eigene Endlichkeit an.