Inhalt
Siehe Beschreibung/Klappentext
Was verbindet Geschwister, was beeinflusst Nähe und Vertrauen, wie (un)bedeutend ist die gemeinsam erlebte Kindheit und wie können sie sich nach langer Zeit finden? Der Roman erzählt von einem sehr unterschiedlichen Brüderpaar, ihrem Ringen um das Sichfinden und wie stark die Voreingenommenheit wirkt.
Cover
Das Cover ist für mich meistens nebensächlich. Hier hatte ich aber speziell ein Buch nach seinem Cover aussuchen wollen und habe online gestöbert. Dieses Cover gefällt mir eigentlich nicht. Aber es hat mich fasziniert, weil die beiden Gestalten so unterschiedlich wirken und recht plakativ dargestellt sind. Das Cover war aus meiner Sicht nicht im Einklang mit dem Titel. Zusammen mit der Covergestaltung war meine Neugier geweckt. Im Lauf der Lektüre hat sich übrigens die Übereinstimmung gezeigt.
Erzählstil
Mir hat die gute Sprache sehr gefallen. Es wird präzise formuliert. Am Anfang wird die Geschichte über Briefwechsel erzählt. Die Brüder schreiben sich nach jahrelanger Stille gegenseitig. Einer der Brüder schreibt auch der Mutter und seiner Lebensgefährtin. Das wird sehr lebendig und bringt zum Vorschein, wie sich die Brüder sehen und wie sie die wichtigen Menschen in ihrem Leben sehen. Im späteren Verlauf schreibt der eine Bruder erzählt manchmal auch und der andere Bruder erzählt. Beide äussern sich in der Ich-Form. Es ist nicht immer unmittelbar klar, welcher gerade “Ich” ist. Das ist gut gemacht, spannend und es dauert nur wenige Sätze, bis es Klarheit gibt. Dadurch werden die Charaktere um so greifbarer und man spürt, dass einiges sowohl zum einen als auch zum anderen gehören kann.
Buch
Das Buch ist spannend zu lesen. Die Wechsel zwischen den Erzählfiguren sind ausgezeichnet gemacht. Die Beziehung zwischen den Brüdern und die Familiengeschichte, die verschiedenen Persönlichkeiten sind das Thema des Buches. Einen Bruder haben und ein Bruder sein - allerdings anders, als ich mir das ein wenig romantisierend ausmale.
Die Brüder kennen sich und sind sich doch fremd. Die Erfahrungen aus der Kindheit über das Wesen des jeweils anderen und die Haltung der Eltern gegenüber den beiden Brüdern sind wesentlich in dem, was die Begegnung ausmacht. Sie finden sich, es wird manipuliert und wirkliche Nähe kommt nicht zum Tragen.
Der eine Bruder, der ein mehr oder minder konventionelles Leben führt, hat bisexuelle Neigungen. Zu sich stehen fällt ihm schwer und noch schwerer, zu anderen stehen, die ihm in seinem Leben ein Hindernis sein könnten. Er manipuliert die Menschen, mit denen er zu tun hat, ganz besonders jene, mit denen er besonders eng verbunden sein (sollte).
Der andere Bruder hat in seinem jungen Leben viel “ausprobiert”, das er immer wieder als das Falsche taxiert hat und sich zu anderen Überzeugungen leiten lassen. Beispielsweise ist er von den Quäkern zum Hinduismus konvertiert und auf dem Weg, ein hinduistischer Mönch zu werden. Auch er ist nicht vollkommen gefestigt.
“In bestimmten Momenten kann ich tatsächlich so empfinden und denken wie er, und das macht mir Angst. Ich fürchte, dass ich beginne, mich so wie er zu verhalten und meine Identität vollends einzubüssen, was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, wenn man bedenkt, dass mein Leben in diesem Kloster darauf abzielt, das eigene Ego abzutöten.”
“Ich könnte ihn niemals dazu zwingen, seine Art zu leben in Frage zu stellen! Ich muss mir immer wieder klarmachen, dass ich es bin, der ihm diese Macht verleiht.”
Ein sehr lesenswertes Buch von einem Autor, den ich noch gar nicht kannte.