Yuval Noah Harari blickt auf die Gegenwart und stellt sich den drängendsten Fragen unserer Zeit: Kann die Demokratie bestehen bleiben? Werden wir von künstlicher Intelligenz unterworfen? Was für eine Rolle spielt Religion in der jetzigen Zeit? Neben all dem Druck und all den kleinen Details, die uns beschäftigen, verlieren wir die Klarheit aus den Augen. Dieses Buch dient dazu, sich mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen; zu erfahren, welche Entscheidungen getroffen werden müssen, um in eine zuversichtliche Zukunft blicken zu können.
In den meisten Fällen, wenn ich solche Bücher von «grossen Denkern unserer Zeit» lese, werde ich enttäuscht, da nichts Neues bei der Lektüre herausspringt. Hier jedoch gibt es einige Ansätze, über die ich noch nie in dieser Art und Weise nachgedacht habe. Als Mensch ist man nun mal in seiner eigenen Sicht auf die Welt gefangen, und diese Sicht lässt sich auch nur selten verschieben. Aber wenn vereinzelte (!) Thesen so präzise und gut begründet werden, wie es Harari hier macht, dann lässt sich das ein oder andere Weltbild wohl verschieben.
Auch wenn ich viel aus dem Buch mitnehmen kann, sollte ich doch in Betracht ziehen, was meine anfängliche Erwartung davon war. «21 Lektionen», «Hier und Jetzt», «drängendste Fragen unserer Zeit» …
Es ist im vornerein klar, dass sich bei so einem Buch Themen überlappen werden, was an sich eigentlich gut ist, da sich offensichtlich eine gewisse Logik dahinter verbirgt und von Widerspruchsfreiheit zeugt. Trotzdem war ich nicht begeistert, als ich feststellte, dass sich ca. ein Drittel des Buches mit künstlicher Intelligenz befasste. Und irgendwie kommt der Autor immer wieder zum gleichen Fazit, obwohl es sich um unterschiedliche «Lektionen» handelt … Ich glaube, es wäre für alle angenehmer gewesen, einen anderen Titel zu finden. Dann hätte man einzelne Punkte nicht unnötig strecken müssen und als Leser:in wäre man nicht enttäuscht darüber gewesen, dass man bei sechs unterschiedlichen Kapiteln auf dieselbe Schlussfolgerung kommt, dass der Mensch einer künstlichen Intelligenz immer überlegen sein wird, da der Mensch sie ja erschafft, aber Achtung vor Algorithmen!
Inwiefern sich die Überlegungen auf das Hier und Jetzt beziehen, ist mir ebenfalls nicht ganz klar. Natürlich lässt sich kein solches Buch schreiben, ohne in die Zukunft zu projizieren oder Erkenntnisse aus der Vergangenheit heranzuziehen. Aber unter den «drängendsten Fragen unserer Zeit» verstehe ich keine Antworten die im Stil «Wenn x, dann y» aufgebaut sind, sondern Beobachtungen, die ich jederzeit nachempfinden könnte – und das nicht erst in 100 Jahren. Ich möchte damit nicht sagen, dass nur über die Zukunft geschrieben wurde, aber der Text erfüllt einfach nicht das, was der Klappentext wirbt.
Gegen Schluss gibt es dann viele Wiederholungen, die auch schon vorher mehrere Male erwähnt werden. Und auch der Inhalt, der gegen das Ende präsentiert wird, gefiel mir nicht. Meditation spielt im Leben des Autors offensichtlich eine grosse Rolle, aber diese 21. Lektion (und damit letzte) im Buch macht die «20» vorherigen Lektionen einfach so zunichte. Wieso habe ich 450 Seiten gelesen, nur um mir am Schluss sagen zu lassen, dass es genügt zu meditieren? Ich sage nicht, dass es nicht stimmen könnte, aber es macht einfach keinen Sinn, das als Fazit für dieses Buch zu nehmen. (Von irgendwoher musste man diese 21 verschiedenen Lektionen ja holen …)
Zudem sich gegen Ende ebenfalls ein belehrender Ton in die Zeilen schleicht, der auch zuvor aufgeblitzt war, sich aber vor allem am Schluss zeigt. Als wäre die Erkenntnis, dass Meditation helfen kann etwas komplett Neues. Ich verstehe, worauf Harari anspielt, nämlich, dass die Individualität eines einzelnen Menschen wichtiger ist, als von Religion oder Nationalismus blind geleitet zu werden. Nur ist mir nicht ganz klar, wieso man der Quintessenz dann lediglich 20 Seiten widmet und den Rest des Buches damit verbringt, über die Menschheit als Kollektiv zu schreiben.
Fazit
Obwohl ich auf viele neue Ansätze in diesem Buch gestossen bin, die mich zum Nachdenken anregen, konnte mich der grösste Teil des Buches nicht begeistern. Es gibt sehr viele Wiederholungen, da die Lektionen sich oft überschneiden. Der Schluss wirkt eher belehrend als erzählend und macht den gesamten Aufbau des Buches durch die Erkenntnis zunichte. Es wäre ein interessantes Konzept mit den 21 Lektionen gewesen, wenn man sich auch tatsächlich daran gehalten hätte.