Carsten Henn erzählt in »Der Geschichtenbäcker« die Geschichte von Sofie, einer Tänzerin, die nach einem Unfall nicht mehr zurück auf die Bühne kann. Mehr aus Zufall – um die Zuwendungen des Arbeitsamtes nicht zu verlieren – steht sie in der Backstube des Ortes. Sie tritt dort einen Aushilfsjob an, den sie eigentlich gleich wieder kündigen will, denn das Ende ihrer Karriere hat sie komplett aus der Bahn geworfen. All ihre Träume sind zerplatzt. Sie wollte immer nur tanzen. Wird sie überhaupt noch jemand lieben können, wenn sie nicht mehr über die Bühne schwebt? Kann sie sich selbst denn überhaupt noch lieben? Doch dann kommt alles anders. Sie findet in der kleinen Dorfbäckerei mehr als nur einen Aushilfsjob. Beim Umgang mit dem Teig und durch die Weisheiten des Bäckers Giacomo findet sie das Glück der kleinen Dinge, den Mut zur Veränderung und auch wieder den Weg zurück in die wärmende Umarmung der Liebe.
Auch in „Der Geschichtenbäcker“ ist es Carsten Henn gelungen, Leserinnen und Leser mit seinen Worten zu umarmen. Er zeichnet die Figuren mit all ihren Zweifeln und Ängsten so fein und glaubhaft, dass man sich in einzelnen Passagen selbst zu erkennen glaubt. Die Weisheiten des Bäckers spenden Zuversicht und Inspiration. Für mich ist im Grunde der Bäcker Giacomo die Hauptfigur des Buches. Er ist still, lebt zurückgezogen und will gar nicht weiter auffallen. Doch alles, was er tut, tut er mit viel Liebe, Empathie und echtem Interesse an seinen Mitmenschen. Er glaubt an das Gute im Menschen „Ich glaube, wir werden alle mit einem guten Herzen geboren. Aber bei manchen wird es sehr früh kaputt gemacht. Weißt Du, Herzen können nur dann lernen, richtig zu schlagen, wenn andere Herzen für sie schlagen“ (S. 126). Sein eigenes Schicksal verbirgt er dabei möglichst vor der Öffentlichkeit, doch er verliert den Glauben an das Gute und die Liebe nie.
Berührt hat mich auch Giacomos Blick auf das Gelingen einer langen Beziehung: „Man muss sich immer wieder neu in den anderen verlieben. In den Menschen, zu dem er wird. Wir verändern uns jeden Tag ein kleines bisschen. Deshalb sollte man sich an jedem Tag neu verlieben.“ (S. 214)
Für Leserinnen und Leser, die „Der Buchspazierer“ kennen vielleicht ein besonderes „Schmankerl“, dass man gleich zu Beginn dem Buchspazierer und seiner kleinen Helferin wiederbegegnet.
Insgesamt hat mich „Der Buchspazierer“ noch ein bisschen mehr berührt, doch auch „Der Geschichtenbäcker“ ist ein wunderbarer Roman, so wie eine warme Decke, der Leserinnen und Leser einhüllt. Er berührt, verzaubert, inspiriert und wirkt auf seine ganz eigene Weise nach.