Ich hätte ehrlich gesagt nicht erwartet, dass der Roman eine solch interessante Geschichte birgt. Vom romantisch angehauchten Cover und dem Klappentext hatte ich mich täuschen lassen.
Charlotte, eine junge Frau aus Paris, führt eine Buchhandlung mit ihrer besten Freundin Simone während deutscher Besatzung. Es ist 1944, Essen und Mitgefühl sind knapp, die ständige Angst vor einer Festnahme gross. In dieser Atmosphäre wächst Vivi, die kleine Tochter von Charlotte, auf. Als Simone verschwindet und in ein Konzentrationslager gebracht wird, ist die Verzweiflung von Charlotte gross. In dieser Notsituation nimmt sie voller Widerwille die Hilfe des deutschen Wehrmachtsarztes Julian Bauer an, der ihr Medizin und Nahrung für Vivi anbietet. Charlotte weiss genau, dass sie für diese Handlung verurteilt und als Kollaborateurin gelten wird. In dieser kargen, lieblosen Zeit entwickelt sich eine Nähe zwischen ihnen, die Charlotte abzustreiten versucht. Schlussendlich ermöglicht Julian ihr und Vivi die Flucht nach Amerika, doch die Geschehnisse werden sie noch lange verfolgen.
Etwa 10 Jahre später, Charlotte hat sich bereits sorgfältig ein Leben als Lektorin in einem bekannten New Yorker-Verlag aufgebaut, fängt Vivi an Fragen zu stellen. Nicht nur über ihren abwesenden Vater, sondern auch über ihre jüdische Identität und die Zeit während des 2. Weltkriegs. Charlotte wird nach jahrelangem Verdrängen wieder mit ihrem Gewissen und lang vergrabenen Erinnerungen konfrontiert…
Mir hat das Buch wirklich unglaublich gut gefallen. Besonders interesant fand ich, dass die Geschichte von einer normalen Frau handelt, nicht von einer Resistance-Kämpferin oder Spionin. Das macht für mich vor allem ihre Handlungen so nachvollziehbar und berührend. Zwar konnte ich nicht immer die Haltung der Protagonistin teilen, doch ich verstand wieso sie so dachte. Allgemein behandelt die Autorin die Thematik wie verschieden Menschen mit traumatischen Ereignissen umgehen mit extremer Vielschichtigkeit. Insgesamt fand ich es auch einfach erfrischend einmal eine etwas andere Geschichte über den 2. Weltkrieg zu lesen, der es aber überhaupt nicht an Tiefe fehlt und einen neuen Einblick in das Frankreich während der Besatzung gewährt. Auch dass die Ereignisse nicht chronologisch erzählt werden, sondern immer wieder eine neue Schicht freigelegt wird, hat mich dazu gebracht “Die Buchhändlerin von Paris” regelrecht zu verschlingen.