Im Jahre 2032 werden in den USA alle Menschen mit einem ID-Chip überwacht. Vali’s Familie ist vor Jahren von Kolumbien in die USA geflohen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr werden die undokumentierten Immigrantinnen und Immigranten regelrecht gejagt. Die 16-jöhrige Vali ist eine von ihnen. Als der Chip ihrer Mutter aufhört zu funktionieren, muss Vali für sich und ihren kleinen Bruder kämpfen. Denn es gibt nur einen sicheren Bundestaat: Kalifornien. Doch das liegt am anderen Ende des Landes.
Vali ist eine inspirierende junge Frau und gehört definitiv auf jede Liste mit starken fiktionalen Charakteren. Sie ist so jung, so stark und hat so viel durchgemacht. Sie kämpft und kämpft. Auch wenn der Staat und die Natur sie in die Knie zwingen wollen, findet sie einen Weg nicht nur sich selbst, sondern auch den Menschen um sich herum Kraft zu geben. Genau das ist einer der Gründe weshalb sie eine gute Anführerin ist. Ich könnte euch genau sagen and welchen Stellen sie bewusst oder unterbewusst zur Anführerin wird. Davor habe ich riesigen Respekt. (Mein Gefühl sagt mir, dass sie im zweiten Band grosses leisten wird und ich freue mich unglaublich darauf das zu sehen) Trotzdem ist sie noch eine ganz normale Jugendliche, die sich mit den Problemen des Teenager-Daseins herumschlagen muss - zumindest zu Beginn.
Auch die Nebencharaktere sind unvergesslich: die alte Frau, die so viel für undokumentierte Flüchtlinge tut; die Mütter, die alles für ihre Kinder geben; der zähe Mann mit dem weichen Kern; die Kinder, die plötzlich erwachsen werden müssen; der junge Mann, der den Sternen folgt… Ausserdem sind alle Charaktere wirklich divers: Es gibt sie in allen Grössen, Formen und Farben.
Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt: Foreshadowing (falls jemand weiss, wie man das im Deutschen nennt, lasst es mich wissen). Schon recht früh gibt es diese kleinen Hinweise darauf was später geschehen wird und wie Vali sich entwickeln wird. Das heisst aber nicht, dass das Buch langweilig war. Im Gegenteil sogar. Für mich hat es das nur noch interessanter gemacht.
Dieses Buch ist von Anfang bis Ende grossartig geschrieben und übersetzt. Es werden Themen wie Immigration, Rassismus und Ausländer*innenfeindlichkeit, Propaganda und (Existenz-) Angst behandelt. Aber auch Klimawandel, Kontrolle durch den Staat, Trauma und Traumabonding, der Umgang mit Flüchtlingen und Hoffnung spielen eine wichtig Rolle.
Paola und Abby haben einen wirklich tollen Schreibstil. Ich liebe es, wie sie (vor allem am Anfang des Buches) Idyllen erschaffen und diese sogleich wieder zerstören oder wie sie direkte und indirekte Rede mischen, um lebendige Dialoge zu schaffen.
Stefanie hat bei der Übersetzung des Buches grossartige Arbeit geleistet. Besonders gefällt mir ihre Entscheidung, dass Vali gendert. Das habe ich so vorher noch nie in einem Roman gelesen und mich entsprechend darüber gefreut.
Jedes Wort in diesem Buch ist präzise ausgewählt und sorgfältig übersetzt worden. Es spiegelt das Thema Propaganda wider, das eine sehr zentrale Rolle in dem Buch spielt. In meinen Augen zeigt das, welche Macht Worte haben.
Auch die Formatierung des Textes ist sehr interessant. Das Buch spielt mit kursiv und fett gedruckten Worten, die dem Text noch mehr Tiefe verleihen. Ich denke, um alle Nuancen des Textes zu finden, muss man ihn mehrere Male lesen.
Ich empfehle dieses Buch allen, die auf der Suche nach Hoffnung in dieser Welt aus Krieg und Zerstörung sind und jene , die Dystopien mögen und/oder Bücher mit starken weiblichen Protagonistinnen.