Martina Clavadetscher gibt in “Vor allen Augen” den Frauen eine Stimme, die wir sonst nur von Gemälden kennen. Neunzehn Kunstwerke hat die Autorin ausgesucht - (ich persönlich habe die Mehrheit der Bilder zum ersten Mal gesehen) - und hat sich Gedanken darüber gemacht, was hinter der porträtierten Frauen stecken könnte. Dabei vermischen sich Fakt und Fiktion.
Basiert das nun wirklich auf der Wahrheit oder ist das eine Idee der Autorin?
Diese Frage habe ich mir beim Lesen mehrere Male gestellt. Um eine Antwort auf meine Frage zu erhalten, müsste ich eigene Recherche betreiben, doch bei neunzehn Gemälden ist das schon viel Aufwand und die Zeit habe ich gerade nicht… deshalb hätte ich mir gewünscht, dass im Nachwort noch mehr darauf eingegangen wäre, was Fakt und Fiktion ist.
Jede der Geschichten ist anders, auch was die Form betrifft. Clavadetscher hat literarisch herumexperimentiert und das ist ihr sicherlich gelungen. Die einzelnen Texte sind stark - und trotzdem muss ich leider sagen, dass mir Vieles nicht in Erinnerung geblieben ist. Bei einigen der Kurzgeschichten weiss ich auch gar nicht mehr, worum es denn nun gegangen ist. Es sind nur noch Bruchstücke übrig geblieben.
“Vor aller Augen” würde ich all denen empfehlen, die sich für Kunst interessieren und für Literatur (weil es eben ein interessant geschriebenes Werk ist!). Das Buch macht auch ein schönes Geschenk her. All die Gemälde wurden abgedruckt, was mich überrascht hat, als ich das Buch aufgeschlagen habe.
Er war anders, weil er mich anders fühlen liess. Für ihn war ich einzigartig, also liess ich mich nur noch von ihm malen. Ich war das Gesicht, nach dem er gesucht hatte, seine Statue, seine Fläche, war die pupillenlose Frau, war lang, schmal, war das, was er in mir sag. Und so wollte ich für ihn sein.