Wann ist ein Wort kaputt? Begriffe, die sich seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten im Sprachgebrauch befinden, können heutzutage diskriminierend, problematisch oder einfach obsolet sein. Der Autor, Journalist und Kulturredakteur, hat 80 Wörter herausgesucht und in vier Kategorien thematisiert: Ursprung, Gebrauch, Kritik, Einschätzung.
Erster Eindruck: Mir gefällt das Cover sehr gut – der Buchtitel macht mich neugierig.
Sprache ist faszinierend, interessant, unterhaltsam, verbindend, kann aber auch abstossend sein. Im Kontakt mit Menschen, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben (wobei für uns Schweizer das Hochdeutsche bzw. die Schriftsprache auch bereits die erste Fremdsprache ist!), fallen mir immer wieder Kleinigkeiten auf, die ich mich als Muttersprachler nie gefragt habe, aber die jemand, der die Sprache lernt, eben hinterfragt. So entstehen spannende Diskussionen. In der heutigen Zeit wird es immer schwieriger, Texte zu verfassen, die grammatikalisch korrekt, in der Botschaft klar und prägnant sind, aber gleichzeitig keine Anspruchsgruppen verärgert. Die Rechtschreibreform und das Gendern sind dabei auch nicht gerade hilfreich – aber das sind nochmals eigene Themen…
Es wäre für mich interessant gewesen, zu erfahren, wie die Auswahl der 80 Wörter zustande kam. Bei einigen Wörtern habe ich mich beim Lesen der Überschrift gefragt, was daran denn falsch oder stossend sein könnte. Bei anderen Wörtern habe ich mich ziemlich echauffiert. Hier ein paar Muster:
Bester Freund: Kinder sollen keinen „besten Freund“ mehr haben dürfen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einem Kind, das eben keinen besten Freund hat, hilft, wenn andere ihre Freunde nicht mehr so nennen dürfen…
Milch: Wow, „Milch“ steht auf dem Prüfstand? Die Definition zu Milch ist ja grossartig: „Der Ausdruck ´Milch´ ist ausschliesslich dem durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug, vorbehalten.“ Wenn ich das lese, schmeckt mir Milch gleich viel weniger gut.
Mohrenkopf / Negerkuss: Das war klar, dass die beiden Begriffe hier auftauchen. Wie man dieser Süssigkeit auch immer sagen will, sie schmeckt einfach!
Pizza Hawaii: Ach menno! Was soll den daran wieder falsch sein? Ich hätte noch niemalsnie beim Lesen dieses Namens daran gedacht, dass er problembehaftet aufgrund der Geschichte des Kolonialismus sein könnte. Habt Ihr?
Punkt (Satzzeichen): Sorry, aber wenn sich jemand daran stört, dass es zuweilen einen Schlusspunkt gibt, hat doch glücklicherweise keine Probleme.
Vater/Mutter: Jetzt hört’s aber auf, oder? Elternteil 1 und Elternteil 2. Okay. Aber was in den britischen Universitätskliniken Sussex und Brighton 2021 eingeführt wurde, ist absolut schräg (deutsche Übersetzungen): „gebärendes Elternteil“ (wie soll dann der Elternteil eines Adoptivkindes genannt werden?); „Menschenmilch“ (statt „Muttermilch“); „den Brustkorb geben“ (statt „die Brust geben“). Mir fehlen (beinahe) die Worte.
Es fällt mir nicht leicht, dieses Buch zu bewerten. Einerseits möchte ich die intensive Recherche entsprechend würdigen (522 Quellennachweise!), andererseits aber auch auf die verschiedenen Wörter bzw. Erklärungen und den Unterhaltungswert eingehen. Alles in allem kann ich nur knappe 3 Sterne vergeben – ich habe mir mehr erhofft.