„Das Vorkommnis“ ist der Auftakt einer Trilogie – der Biographie einer Frau.
Bei einer Lesung wird die Protagonistin von einer fremden Frau mit dem Satz „Wir haben übrigens denselben Vater“ angesprochen. Auch wenn sie der Fremden um den Hals fällt, bleibt die Begegnung flüchtig, löst jedoch eine Welle von Gefühlen und Fragen aus. Fragen, die alle Bereiche des Lebens betreffen: Ehe und Muttersein, Kindheit, Adoption, Vertrauen und Familiengeheimnisse, ja die Wahrheit generell. Durch die Begegnung bekommt das Leben der Protagonistin eine neue Richtung, alles scheint neu bewertet werden zu müssen und Personen oder Situationen, auf die man immer vertraut hat, werden auf einmal unsicher.
Auffällig war für mich zunächst das Cover. Ein Porträt einer nachdenklich blickenden Frau, abwesend und abweisend und doch irgendwie verletzlich. Neben vielen positiven Berichten über den Roman ließ mich das Cover zu dem Buch greifen.
Doch schon der Einstieg in den Roman gestaltet sich schwierig. Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive der Protagonistin geschrieben, was die Möglichkeit geben könnte, eine Entwicklung und die inneren Kämpfe der Protagonistin mit der (wie später deutlich wird) eben nicht überraschenden Information einer Halbschwester mitzuerleben. Die Nebenfiguren bleiben unerwartet blass. Kein Familienmitglied hat überhaupt einen Namen. Es heißt immer nur „das Kind“, „mein Mann“, „mein Mann bevor er der Ehemann wurde“…… Namen erhalten nur Personen außerhalb der Familie wie eine alte Klassenkameradin, die Mutter eines Kindergartenkindes. Das führt zu einer merkwürdigen Distanz, die zwischen der Ich-Erzählerin und allen anderen Figuren zu spüren ist. Auch frage ich mich, warum die Begegnung solch umwälzende Gedankenspiele bei der Protagonistin auslöst, denn sie wusste von der Existenz der Halbschwester – bereits seit längerer Zeit. Die Gedanken der Ich-Erzählerin springen hin und her, so dass es, wie ich finde, schwierig wird, der Geschichte wirklich zu folgen. Es gibt keinen konstanten Erzählstrang, der Leserinnen und Leser in die Geschichte führt und eintauchen lässt. So bleibt die Geschichte von Anfang an konstruiert, distanziert und merkwürdig unpersönlich, obwohl es doch eigentlich etwas Persönliches sein sollte.
Spannend finde ich, wie die Julia Schoch die Trilogie weiterführen möchte. Auf einer Lesung sagte sie, dass wir alle ja unterschiedliche Leben leben – das der Tochter, der Mutter, der Ehefrau, der Freundin….. und man Erlebnisse aus jeder Perspektive berichten könnte. Wird das der Weg der beiden weiteren Bände sein oder doch eine chronologische Weiterführung der Geschichte aus „Das Vorkommnis“?
Mich hat das Buch nicht wirklich erreicht und gefesselt.