Wir sind uns gewohnt, dass alles jederzeit in jeder Form zur Verfügung steht - und erleben zu Genüge, dass dem doch nicht immer und nicht jederzeit so ist… Mit diesem Dilemma, dass Dinge nicht verfügbar, höchstens ‘erreichbar’ sind und die Welt immer mehr zum ‘Agressionspunkt’ wird, setzt sich Hartmut Rosa in diesem ausgezeichneten, bedenkenswerten Essay ausseinander.
Diese Sehnsucht nach Verfügbarkeit und somit nach Kontrolle und Beherrschung ist Segen und Fluch in einem. Zunächst war (und ist) sie Ausgangspunkt für jegliche Entwicklung und jeglichen Fortschritt - gleichzeitig aber erleben wir, wie sich die Dinge nun doch und trotzdem gegen uns wenden: Klimawandel und -katastrophen oder Zoonosen machen deutlich, dass jedem Wachstum Grenzen gesetzt sind und sich alles ins Gegenteil verkehren kann.
Rosa urteilt nicht sondern analysiert messerscharf die Situation, in der wir stehen. Er zeigt auf, wie wir alles versichern, vermessen, kontrollieren, beherrschen… wollen - und so immer mehr die Beziehung und die Resonanz verlieren. Wir machen uns Dinge, Schöpfung… gefügig - und müssen erleben, wie sie sich uns im letzten eben doch widersetzen: so ist z.B. Musik über Streamingdienste jederzeit und überall verfügbar - ich muss nicht mehr warten, bis eine Aufführung an passendem Ort und zu passender Zeit mit finanzierbarem Eintritt statt findet - ob mich die Musik dann aber (wieder) tief berührt, ist weder berechenbar noch garantiert. Ich kann eine tolle Safari buchen - ob ich die Löwen tatsächlich sehe, einen magischen Sonnenuntergang erlebe, nicht überfallen werde… ist ebenso wenig berechenbar und garantiert. Ich kann alles tun, um gesund zu bleiben (Ernährung, Sport, Hygiene…) - und muss mich trotzdem mit Krankheit auseinander setzen. Trotz aller Bemühungen ist der Tod nachwievor totsicher…
In diesem Widerständigen spüren wir oft genug unsere Hilflosigkeit den Dingen, der Schöpfung, den Menschen und uns selbst gegenüber - damit sind wir nicht einfach überfordert, sondern wir spüren, wie diese Kraft ‘Gegenkraft’ weckt, agressiv macht… (Wer hat nicht schon erlebt, dass z.B. Technik ‘zum Monster’ wird? - Die Einbruchsicherung im Auto schnappt zu, während wir drin sitzen…; der Computer agiert eigenständig…; ein Gerät lässt sich partout nicht ausschalten…)
Doch nur wer offen ist, für das Unverfügbare, kommt in eine Disponibilität, in der er auch Resonanz und Berührung erfährt. Im Grunde genommen ist Rosa’s Essay ein Plädoyer sich der Unverfügbarkeit und somit den Überraschungen in neugieriger Offenheit zu stellen - ohne dabei zu resignieren und in den Fatalismus zu verfallen. - Wer mit der Unverfügbarkeit rechnet, mit ihr Schritt hält, kommt erst in eine Resonanz - die aber unabdingbar ist, um in einer inneren Zufriedenheit leben zu können.
Eine empfehlenswerte Schrift!