Gottfried Messmer betreibt in Zürich das Künstlercafé «Kafi Glück», einen angesagten Treffpunkt für Musiker und Kunstliebhaber, wo es das kälteste Bier in der ganzen Stadt und die coolste Musik gibt. «Gott», wie ihn seine Freunde nennen, ist ein Eigenbrötler, der früh seine Eltern verlor und sein halbes Leben in der Welt herumgereist ist. Nun mit Ende 50 hat er, so scheint es, mit seiner Freundin Julia und dem Café sein Glück gefunden. Bis eines Tages eine grosse Schweizer Bank bei ihm anruft und ihn zu einem vertraulichen Gespräch bittet: Sein Vater habe vor vielen Jahren im Safe der Bank etwas deponiert. Plötzlich sieht Gottfried sich mit einem Erbe konfrontiert, welches sein bisheriges Leben und das Bild, welches er von seinen Eltern hatte, ins Wanken bringt. Im Safe findet sich nämlich ein alter Spazierstock, in dessen Inneren ein verschollen geglaubtes Gemälde von Gustav Klimt versteckt ruht. Im Begleitschreiben bittet Gottfrieds Vater ihn, den rechtmässigen Besitzer zu finden und das Bild zurückzugeben. Doch wo soll Gottfried mit der Suche beginnen?
In Rückblenden auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs und durch die Ereignisse in der Gegenwart erfährt der Leser, dass es sich bei dem wahren Besitzer um einen jüdischen Kunstsammler handelte, welcher vor den Nazis über versteckte Wege in die Schweiz floh und von Gottfrieds Vater dabei unterstützt werden sollte. Durch einen tragischen Unfall wurden die beiden Männer auf der Flucht kurzzeitig getrennt, wobei Gottfrieds Vater den Spazierstock an sich nahm, um im Wald schneller vorankommen und Hilfe holen zu können. Als er zu dem verletzten Juden zurückkehrte, war dieser verschwunden. Oder hat Vater Messmer sich das alles nur ausgedacht, um das wertvolle Gemälde an sich zu nehmen? Ist er am Ende nur einer von vielen Verbrechern, die sich am Leid der Juden bereichert hat?
Und schon stecken die Leser mitten in einem Naziraubkunst-Krimi.
Meine Meinung:
In diesem Roman steht die oftmalige Oberflächlichkeit unserer Zeit zunächst im Kontrast zu der existentiellen inneren und äusseren Not der Menschen während des zweiten Weltkriegs. Dabei hat er das Elend zuallererst der Juden im Blick, aber dann auch dasjenige der Menschen, die sich nicht mitschuldig machen wollten am Unrecht der Nazidiktatur. Dabei wird deutlich, dass es mit der vielbeschworenen Neutralität der Schweiz während dieser Zeit nicht so weit her war. «Das Boot ist voll» als Entschuldigung dafür, keine jüdischen Flüchtlinge aufnehmen zu können, war eine bewusst gemachte Aussage, die den Tod von unzähligen Menschen in Kauf nahm. Gerne hätte ich über dieses wichtige Thema, nachdem es doch den Aufhänger für diesen Roman bildet, noch mehr gelesen. Doch leider konzentriert sich der Roman nach meinem Gefühl dann sehr in der Gegenwart, was die Autorin aber nach eigenen Angaben bewusst so gewollt hat. «Die Ereignisse der Vergangenheit sind lediglich der Motor, der eine gegenwärtige Handlung in Gang setzt.» (Zitat aus einem Interview). Ob gerade dieses sehr komplexe Thema dafür als Aufhänger geeignet ist, kann man in Frage stellen.
Bei der Auflösung der Handlungsstränge am Schluss gab es für mich zu viele Zufälle, die dann zum Happy End führten. Die inneren Kämpfe und das Ringen sowohl der Menschen zur damaligen Zeit als auch der Umgang mit Schuld kommt darüber zu kurz. Wir begegnen im Buch vielen sehr interessanten Gestalten, über deren Vergangenheit ich gerne noch mehr gelesen hätte. «Waldinneres» ist auf jeden Fall sehr spannend und sehr flüssig zu lesen. Für jemanden wie mich, die in der Schweiz lebt und auch etliche im Roman vorkommende Orte in Zürich kennt, war die Lektüre natürlich nochmal ein besonderer Genuss.
Fazit: Mónica Subietas hat einen spannenden Roman über das Thema «Raubkunst» geschrieben, der sich sehr flüssig liest und zum Nachdenken anregt. Leider bleibt er an vielen Stellen durch die Konzentration auf die Gegenwart für mich zu sehr an der Oberfläche.