Christelle Dabos hat eine wunderschöne Fantasy-Welt geschaffen, die an Harry Potter, Narnia oder Tinenherz erinnert. Ich habe mich immer wieder darauf gefreut, in diese Welt einzutauchen und dort Zeit zu verbringen.
Leider sind die darin lebenden Menschen eher eindimensional. Die Figuren erleben keine wirklichen Entwicklungen und sind auch nicht sehr tiefgründig, wie man es sich wünschen würde. Von vielen wird die Gesellschaft als progressiv und feministisch beschrieben, bei einem genaueren Blick ist sie allerdings sehr rückständig, sexistisch und frauenfeindlich. Frauen haben nur einen Wert, wenn sie verheiratet sind, ansonsten können sie von der Gesellschaft verstossen werden. Einer der Männer macht ein Spiel daraus, möglichst viele Frauen zu verführen und wird als Held angesehen, während die Frauen als “femmes de petite vertu” (Frauen mit lockerer Moral) gelten. In dieser Doppelmoral wird Sex für die Männer als gottgegebenes Recht und für die Frauen als unrein/schmutzig, unmoralisch und unsittlich dargestellt. Da dies ein Jugendbuch ist, finde ich es fragwürdig, ob ein so heikles Thema in dieser prägenden Zeit auf eine solch sexistische Weise thematisiert werden sollte.
Die “Heldin” des Buches spielt eigentlich keine wichtige Rolle für die Geschichte, sie wird von den Entscheidungen Anderer vorangetrieben und landet am Schluss dort, wo man sie haben will. Obwohl sie andere Interessen hätte, folgt sie den Anweisungen in jedem Fall ihrem Verlobten zu gehorchen, sich den Wünschen ihres Verlobten anzupassen und sich NIEMALS gegen die Befehle ihres Verlobten zu stellen.
Ich werde die Serie zu Ende lesen, aber NUR weil mir die Welt (Natur, Architektur, “Magie”) so gut gefällt und nicht wegen der Geschichte.
Das Buch empfehle ich NICHT an Jugendliche sondern nur in Begleitung und mit reflektierenden Gesprächen. Für Mädchen ist es wichtig zu wissen, dass die weiblichen Rollen in der Geschichte keinesfalls die Rollen der heutigen Gesellschaft widerspiegeln. Jungen sollte klar gemacht werden, dass das verhalten der Männer in der Geschichte in unserer Gesellschaft nicht akzeptiert werden.