Walter Faber, ein Ingenieur mit einem strengen rationalistischen Weltbild, berichtet über die Ereignisse seines Lebens. Durch eine Liebesgeschichte wird er dazu gezwungen, dieses Weltbild zu hinterfragen und setzt sich dabei mit entscheidenden Grundfragen der menschlichen Existenz auseinander.
Es ist spannend, die Entwicklung von Walter Faber zu beobachten. Bevor ich diese Faszination jedoch aufbrachte, musste ich mich zuerst durch das erste Viertel des Buches schlagen, das meiner Meinung nach wirklich zäh war. Dann wiederum, wenn ich mir darüber bewusst werden, dass es ein Bericht von Walter Faber ist, kann ich nichts dagegen einwenden, da diese oft unnötigen und detaillierten Beschreibungen einfach zu seiner Person dazugehören.
Dieses Buch setzt sich sehr klar mit Gegensätzen wie Technik und Natur und Vernunft und Gefühl auseinander. In Walters Ausführungen erkennt man, wie sehr er sich auf Logik, Mathematik und Statistiken stützt. Und vor allem sieht man, wie er in seiner Rolle als Ingenieur aufgeht – jedoch bedeutet das gleichzeitig für ihn, dass er sich keine andere Rolle aneignen kann, weder als Vater noch als Ehepartner.
Zwar sind diese Aspekte an sich überzeugend, aber doch etwas zu sehr ins Extrem gerückt; kein Mensch denkt nur rational. Und das ist vermutlich der Gedanke, der Walters Weltbild verrückt. Durch das Aufzeigen des einen Extrems, wollte der Autor vermutlich Walters Entwicklung verdeutlicht darstellen. Jedoch hat mich das während des Lesens immer wieder die Stirn runzeln lassen, denn Walter war für mich nicht authentisch genug. Auch die anderen Charaktere wie Elisabeth oder Hanna scheinen hauptsächlich nur als Verdeutlichung des Kontrasts zu dienen.
Aber ich muss zugutehalten, dass es definitiv Spannung erzeugt hat. Ich habe als Leserin nur darauf gewartet, dass diese zwei Welten aufeinander krachen, dass irgendetwas Entscheidendes zugrunde geht. Schade nur, dass alles in einem Bericht festgehalten ist, der dramatische Ereignisse so pragmatisch wie nur möglich schildert. Andererseits ist das vermutlich genau der Sinn davon.
Den Schreibstil fand ich trotzdem angenehm zu lesen. Zwar merkt man, dass das Buch nicht in diesem Jahrhundert geschrieben wurde, aber ich kam trotz einiger Wörter, die ich nicht kannte, gut durch die Seiten.
Der gesamte Bericht ist ein Rechtfertigungsversuch, eine erhoffte Antwort auf die Schuldfrage, der zeigt, dass Walter Faber vielleicht doch nicht so rational ist, wie er vorzugeben scheint. Denn nicht nur die Identität des Menschen, sondern auch die Schuldfrage zu einem bestimmten Ereignis stehen in diesem Buch im Vordergrund. Das sind wichtige und interessante Themen, die beim oberflächlichen Lesen irgendwie nicht wirklich zur Geltung kommen.
Ich habe dieses Buch für die Schule gelesen. Und ich bin mir unsicher, ob ich ohne Recherche all die dahinterliegende Bedeutung von Fabers Entwicklung verstanden hätte. Aber mit Recherche liefert das Buch definitiv Diskussionsstoff für die Frage, was die Identität des modernen Menschen ausmacht.
Fazit
Das Buch setzt sich mit dem Gegensatz von Technik und Natur auseinander und hinterfragt das rationalistische Weltbild Walter Fabers. Der Anfang ist zwar etwas zäh, aber danach bin ich flüssig durch die Seiten gekommen. Aufgrund dessen, dass die gesamte Geschichte in einem Bericht geschildert wird, kommt nur selten Spannung auf. Aber trotzdem ist es ein Buch, das einen über die Identität des modernen Menschen nachdenken lässt.