‘Der Grossinquisitor’ ist ursprünglich ein Teil des ‘Monumental-Werkes’ ‘Die Brüder Karamasow’. Auch als herausgelöste, eigenständige Erzählung überzeugt das Werk in seiner Aussage - und lässt einen schaudern!
Da erscheint Christus im Spanien des 16. Jahrhunderts, wird von den Menschen, unter die er sich mischt, ob seiner Ausstrahlung erkannt und fasziniert aufgenommen. Der Grossinquisitor, der tags zuvor noch 100 Häretiker verbrennen liess, kommt in armseliger Mönchskutte dazu, als Christus soeben ein kleines Mädchen vom Tod erweckt - und setzt in sofort ihn Ketten.
Nachts trifft sich der Grossinquisitor mit Christus im Kerker - und deckt ihn ein mit Vorwürfen, belehrt ihn ‘eines Besseren’. - Entlang der Perikopen des Turmbaus von Babel und (v.a.) der Versuchung Jesu in der Wüste, zeigt der Inquisitor Christus auf, wie er die damalige Situation und den Menschen komplett falsch ein-, ja überschätzt und ihn so überfordert hat - und dass die Herrschaft des Teufels an sich die bessere ist, weil sie den Menschen entmündigt - und ihm so die Last der Freiheit abnimmt. Zitat: Nichts ist verführerischer fü den Menschen als Gewissensfreiheit, aber es gibt auch nichts Quälenderes.
Mit manchen der Aussagen scheint der Inquisitor durchaus recht zu haben - zieht aber letztendlich doch die falschen Schlüsse. - Zudem verdreht er ganz subtil die Bibelzitate, um seine Thesen zu untermauern. - Dostojewski konnte zu seiner Zeit damit rechnen, dass die genannten Bibelzitate von seinen Lesern gekannt wurden - auch in ihrem urspründlichen Wortlaut. Da diese Voraussetzung heutzutage bei vielen fehlt, gibt der Inselverlag in seiner Ausgabe Hinweise, WO die Zitate zu finden sind und WIE sie eigentlich lauten - und welche der Zitate nichts als ‘fake’ sind.
Wertvoll ist zudem in dieser Ausgabe das Nachwort des Übersetzers Wolfgang Kasack. Er entschlüsselt die hinter- und untergründige Bedeutung des Werkes in seiner Entstehungszeit.
Der Text hat in seinen Aussagen nichts von seiner Aktualität eingebüsst! Und es lohnt sich, ihn auch heute noch zu bedenken.