Inhalt vgl. Cover Ich habe mich herrlich amüsiert in den letzten Tagen! Der Schreibstil ist klar, ehrlich und gespickt von Vergleichen, die mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht haben oder mir interessant erschienen. Ein paar Beispiele: Meine Heimat war zu einem kontaminierten Ort geworden, überall lauerte das schlechte Gewissen wie Radioaktivität in den Trümmern von Fukushima. Meine Hobbys sind Nahrungsergänzungsmittel, Vorsorgetermine, Anti-Aging-Produkte und Detox-Säfte. Der Schmerz rollt auf uns beide zu, und ich kann rein gar nichts tun. Es gibt keine PDA gegen Erinnerungen. Verdammt, ich will mein eigenes Leben zurück, in dem ich kein eigenes Leben hatte! (…) ein Mann, dessen Mundgeruch ganze Abendgesellschaften kontaminieren kann, (…) Wie ein Hund hinterlassen Männer wie Sie zwanghaft ihre Duftmarke, fahren mir über den Mund und beklagen dann das mangelnde Engagement von Frauen. Ein Drückeberger, wer sich der Angst nicht stellt. Emotional amputiert, wer den Schmerz nicht zulässt. Früher haben wir auf Anrufe (von Männern) gewartet, heute warten wir auf Untersuchungsergebnisse. Eine neue Liebe statt eines Zweitstudiums. Ein neuer Mann, statt Botox und E.Bike. Schmetterlinge im Bauch statt Arthrose in den Knochen. Bei verschiedenen Aussagen habe ich auf die Zeit zurückgeschaut, als ich selber 50 gewesen bin und ich habe mich gefragt, ob ich mir darüber auch Gedanken gemacht habe. Und was ist nun die Quintessenz all dieser Gedanken und Überlegungen`? Die Hauptprotagonistin kommt zwar zu einer Entscheidung, aber ohne diese der Leserin/dem Leser zu erklären. Schade, denn während fast 400 Seiten hat sie offengelegt, was sie alles bewegt, was sie verpasst hat und wie sie auf der Suche ist nach einer Veränderung.

Judith steht vor ihrem fünfzigsten Geburtstag und zieht eine Lebensbilanz: zwar verheiratet, aber nicht mit ihrem Traummann; Kinder, aber bereits ausgeflogen; nicht die erhoffte Karriereleiter erklommen; alte Schuldgefühle – was soll jetzt noch kommen? Als ihre Mutter stirbt, kehrt Judith nach zwanzig Jahren in ihre alte Heimat zurück, wo sie von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Das Wiedersehen mit ihrer Freundin Anne ist sehr emotional: Anne ist krank, hofft aber, den nächsten Sommer noch zu erleben. Es ist höchste Zeit für die Wahrheit… Erster Eindruck: Das filigran gezeichnete Cover gefällt mir sehr gut, ebenso die weiteren Illustrationen im Buch von Peter Bichler. In Judiths Augen sieht ihre Bilanz nicht sehr vielversprechend aus. Dabei hat sie doch so vieles, wofür sie dankbar sein könnte. Nur sieht sie all das nicht und so gerät sie ins Jammern. Aber sie wird nicht aktiv, sie verharrt im Jammern (das kommt mir leider nur zu bekannt vor!). Zudem ist es grundsätzlich schlecht, sich selbst mit retuschierten Fotos von Prominenten auf Social Media zu vergleichen – da kann jede:r nur verlieren! Ob es für die Promis, die ihre Fotos zünftig „aufhübschen“ lassen, manchmal nicht komisch ist, sich so zu sehen? Erkennen sie sich selbst? Nun denn, das ist ein anderes Thema. Mir haben Judiths Freundinnen Martina und Anne gefallen. Beide haben ihre eigenen Ansichten auf das Leben. Martina ist sehr pragmatisch und sagt geradeheraus, was sie denkt (nur will Judith oftmals nichts davon hören). Anne hat sich aufgrund ihrer Krankheit sehr viele Gedanken gemacht und würde rückblickend wohl einiges verändern wollen (nur geht das dummerweise nicht). Es hat viele Passagen, die mich zum Nachdenken gebracht haben, wie z.B.: - „Einfach mal nicht mehr nachdenken über sich und andere und die Beschwernisse des Lebens. Ich denke eigentlich nicht gerne nach. Man kommt dabei so leicht ins Grübeln.“ Tja, wem sagt sie das? - „Meine Komfortzone endet an der nächsten Strassenecke. Ein scharfes Wort zur falschen Zeit, und mein Ego geht ins Exil.“ Hm, kommt mir bekannt vor… Eine Geschichte über Schuld, Freundschaft, das Älterwerden, Heimat, Liebe und den Tod. Mir hat der Schreibstil gefallen und beim Lesen habe ich des Öftern zustimmend genickt, geseufzt oder auch vehement meinen Unmut geäussert. Etliche Geheimnisse – über all die Jahre – hätten nicht sein müssen, denn wieder einmal wäre Kommunikation das Zauberwort gewesen. Die Lektüre hat mich sehr gut unterhalten und erhält von mir 4 Sterne (Abzug gab es für die aus meiner Sicht unnötigen und uncharmanten Verweise auf diverse Prominente).

Judith, fast 50, ist gelangweilt von Ihrem Leben und den ( faulen )Kompromissen, die Sie täglich macht. Es wird Zeit: ist eine Geschichte von Schuld und Freundschaft, von Aelterwerden und vom Jungbleiben. Das Buch ist voller Lebensklugheit, Witz, Selbstironie ( von Kürthy eben), und an manchen Stellen ganz schön traurig. Es hat mich emotional abgeholt und ich find es absolut lesenswert. Was mir besonders gefallen hat sind die Aquarell-Illustrationen die es oft zu sehen gibt.