Die 540 seitige Handlung ist schnell erzählt, aber für wissenschaftlich Interessierte so fiktiv wie haarig: Der sicherste Ort für Staatsgeheimnisse sind ein paar mittels Online-Wettbewerb rekrutierte Durchschnittsbürger unterschiedlicer Couleur mit gemeinsamer Spezialbegabung (Synästhesie) für Komplexes.
Ohne zu schildern wie die Daten in die Schädel kommen, spult der Roman diese Protagonisten durch ein paar Monate Zeit, wo diese nichts anderes zu tun haben, als eben diese totzuschlagen: so quasi parallel laufende Roadmovies - ohne Road - aber verschiedenen Orten in England, wo sich einfache Leute treffe die Probleme haben. Man verliebt sich (in seinen DNA-Twin, off-course), wird schwanger, killt den Freund weil mental gestumpft, isst drohnengelieferte Pizza und hat selbsterhitzende Babymilch, man ist frustriert und alle haben irgendwie ein Problem mit dem Zeugs im Kopf, welches da nicht bleibt, sondern als die üblichen Verschwörungstheorieschnipsel mit der Realität ihren Trägern verfransen.
Zug kommt erst im letzten Drittel ins Buch, wenn die Tarnung auffliegt und eine verwirrte Jägerin ein Datengenie nach dem anderen - leider unnötigerweise ziemlich unappetitlich - schreddert.
Auch wenn kurze Kapitel in Großschrift zwischen den Protagonisten switchen dass einem schwindlig wird, schleckt es keine Geiss weg, dass die Handlungen miteinander nicht verflochten sind, und damit auch keine intelligente Spannung, sondern nur das Warten auf den sicheren Tod aufkommen kann. Abe rauch der kommt in Endlosschleife.
Sollte unsere Next Future trotz autonom fahrenden Autos, Smart Glasses, Quantencomputing, solarbetriebene Flugzeuge und anderen Gimmicks wirklich so trostlos im Klein Klein des Alltags daherdümpeln wie im Buch, dann wurde darin diese selbst im blutströmenden Morden noch bedeutungslose Ereignislosigkeit gut getroffen.
Für einen Roman aber, bei dem es um Regierung und das Ganze geht, hätte ich mir aber doch etwas mehr Pathos und Wichtigkeit gewünscht. Aber so ist es mir, als würde eine Kassiererin die Schlachten kommender Welten aus der Lage der auf dem Förderband liegenen Kaugummipäckchen lesen wollen …
Dass mit dieser Handlung (zufällig gewählte Protagonisten schlagen nach einem totalen Neuanfang ihre Zeit alleine tot ohne aufzufallen) nichts Gescheites entstehen konnte, liegt wohl in der Anlage. So bemühen sich zwar die Charaktere um eine originelle Vita, aber schlussendlich bleiben sie mangels Ziel und Herausforderung an nichts reibend flach und nichtssagend im Klein-Klein des post-depressiven Nebelstaats hängen, in dem zwar Zeugs passiert, aber scheinbar niemanden kümmert.
Man hätte eigentlich auch den ganzen Mittelteil weglassen können - man hätte es wohl kaum bemerkt.
Andererseits habe ich nur dieses Buch von Mars gelesen und erst im Nachgang erfahren, dass es sich angeblich auf zwei andere bezöge: ich hatte nichts vermisst aber auch nichts gelernt - und Spannung? Nö, sorry!
Bester Dialog:
- “Ich bin eine Laborratte.”
- “Du bist eine Fallstudie.”
- “Ich bin eine Mörderin und Du bist nicht echt, sondern nur Teil meines Hirns.”