John von Düffel platziert seine Stoffe stets zeitgeistig und aktuell. Doch auch im neuen Roman, der zum Beginn der Quarantäne handelt, geht es um Grundsatz um Gefühle wie Schuld, wie Wut, um grosse Themen wie Trauer und Glauben. Im Kern geht es um Maria, eine Anästhesieärztin in Quarantäne, ihre Tochter Selma, die mit der Palliativ-Ärztin Kathi Kuhn unterwegs zu ihrem krebskranken Grossvater ist, dem mässig lebenstüchtigen Sohn Jakob, der als Kunststudent für seine Professorin schwärmt und dem abwesenden Vater, Holger, der Ex-Mann Marias, der nach einem Suizid-Versuch in einer Klinik lebt. Selma versucht dabei, all das Unausgesprochene und Traumatische, das die Familie überschattet, zu bewältigen. Der Grossvater Richard hat als Pastor gepredigt, doch den Tod seiner Frau bei der Geburt von Selmas Vater hat ihm jeden Glauben genommen. Er fühlt sich schuldig gegenüber seinem psychisch kranken Sohn. Dies nur ein Beispiel der komplexen Einzelschicksale, die diese Familie heimsuchen. Warum soll man nun dieses problembeladene Buch voller Krankheit, Verlust und Scheitern lesen? Weil es viele bestechende Szenen gibt, die sich so bildhaft und ergreifend lesen, Tabus wie Sterben und Tod in unsere Nähe rücken. Das sind starke Sätze, die man mehrfach liest, weil sie so nach nachhallen. Keine heile Wohlfühlwelt also, aber eine packende und wohlüberlegte Dosis prallen Lebens, die zum Nachdenken animiert.