Meine Meinung zum Buch ist zweigeteilt wie der Roman selbst. Es gibt zwei eigenständige Erzählstränge, die nebeneinander herlaufen.
Für mich ein Grund der Freude und der Teil, der mich gefesselt, berührt und gut unterhalten hat, ist die Lebensgeschichte von Ruth, die Großmutter von Alexander, der die Hauptrolle in der Gegenwart innehat. Ruth ist Jüdin und lebte zur Zeit des Nationalsozialismus in Dänemark. Sie war eine begnadete Sängerin. Doch eine Karriere war ihr durch die politischen Umstände verwehrt. Sie wird nach Theresienstadt deportiert und schildert die erschütternden, unmenschlichen Bedingungen dort. Sie überlebt das Lager , bekommt eine Tochter, Alexanders Mutter und emigriert zusammen mit ihrem Mann, aber ohne Tochter, nach Amerika. Die Schilderungen des Lagers waren sehr eindrücklich und kaum auszuhalten. Was mir sehr gut gefallen hat, obwohl ich keine so engen Bezug zur Musik habe, waren die Beschreibungen, wie Ruth Musik empfindet und was sie für sie bedeutet.
Die Handlung in der Gegenwart hat mich zu Beginn interessiert, aber dann immer wütender gemacht. Alexander lebt zusammen mit seiner langjährigen Partnerin Gry in Dänemark. Sie wünscht sich ein Kind, konnte aber wegen medizinischen Problemen bei Alexander nicht auf natürlichem Weg schwanger werden. Nun versuchen sie es mit medizinischer Hilfe, was sehr ausführlich thematisiert wird. Alexander war mir unsympathisch. Er ist Musiker, aber mit seinem Broterwerb in einer Fernsehband unglücklich. Er möchte selbst komponieren. Er konsumiert Drogen, Alkohol und versinkt in Selbstmitleid. Schuld gibt er dafür auch seiner Mutter, die ihn nie geliebt habe. Der Autor bietet ererbte Traumata als Erklärung für Alexander Verhalten an. Das hat mich nicht wirklich überzeugt. Auch Gry blieb mir fremd, da sich bei ihr alles um ihren unerfüllten Kinderwunsch dreht.
Das Ende ist fast schon kitschig und konnte mich nicht für sich einnehmen. Wäre nicht Ruths aufwühlende Erzählstrang gewesen, hätte ich das Buch vermutlich nicht zu Ende gelesen.