“Lange Zeit wollte ich nicht hinschauen. Zu gross war meine Angst vor dem Schmerz. Mein Vater, der ich so sehr liebte, sollte mich missbraucht haben? Nein, das hätte es mir niemals angetan. Ich hockte in meinem Käfig der Angst…”
Zitat vom Rückentext
Ille Ochs wurde als Mädchen “Papas Liebling” genannt und jahrelang von ihm missbraucht. Sie hat alles verdrängt und erst als sie beginnt zu forschen, weshalb sie die Panikattacken, die Träume etc. hat, beginnt ihr Prozess der Heilung, Vergebung und Befreiung.
Ein Buch über Missbrauch und Glauben. Ein Vater, streng christlich, der sein eigenes Kind missbraucht. Was für eine Farce. Wie kann man mit so einem Erlebnis leben? Wie kann man ein intaktes Eheleben führen?
Ille Ochs führt einen durch ihr Leben, durchs verdrängen, durch ihre Attacken, durch ihre Angst, fehlendes Selbstvertrauen - sie schreibt so ehrlich, so direkt, man taucht ins Buch ein, wird von Anfang an gepackt, geschockt und legt das Buch nicht mehr weg. Atempausen müssen eingelegt werden, Tränen weggewischt. Ein Buch das Mut macht, das zeigt, dass man auch seinem Peiniger vergeben kann.
Ein Opfer könnte Mühe haben mit dieser Biographie, ausser man ist sich sicher, dass man sich selber damit auch auseinandersetzten möchte und ein paar Denkanstösse braucht.
Die Erzählung über ihre Ausbildung zur Tanztherapeutin war mir etwas zu langatmig, zu wenig aussagekräftig, aber vielleicht weil ich das zu wenig greifen konnte?
Opfer ist man während der Missbrauchszeit, aber danach muss man ausbrechen und damit leben lernen. Vergeben heisst nicht vergessen, aber man kann lernen, damit zu leben. Mit Gott ein Streitgespräch suchen und auch ihm vergeben, das kann helfen um mit dem Kapitel abzuschliessen.
Das Vorwort von ihrem Bruder zeigt sehr eindrücklich, wie schwer so ein Fall auch für Geschwister sein kann. Peter Strauch schreibt sehr ehrlich und offen - berührend, beängstigend.
Dieses Buch ist keine Abrechnung, das ist mir wichtig, weder mit dem Täter, in diesem Fall mit meinem Vater, noch mit den “Verfolgern” und “Rettern” aus meiner Vogelgeschichte. … Es soll hingegen ehrlich und offen die ganze Tragik aufzeigen und nichts verharmlosen oder beschönigen. Missbrauch, ob religiös, emotional oder sexuell, hat gravierende Folgen, auch wenn sie nicht immer sichtbar sind. Zitat vom Vorwort - Seite 13
Fazit: Ein sehr, sehr berührende Biographie die mich sprach- und atemlos zurücklässt. Die nachlebt und sagt, verschweigen und verdrängen hilft nicht, man muss etwas tun!