Eine zutiefst verstörende Geschichte, erzählt in einer scharfsinnigen, scharfen Sprache. Betrachtet man sich das Bild auf dem Cover genau, kann man erahnen, dass man sich auf etwas ganz Ungewohntes einlässt und dass sich hinter der vermeintlichen Schönheit buchstäblich keine leichte Kost verbirgt.
Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt, die man direkt als drei verschiedene Theaterakte begreifen könnte.
Yong-Hie, die unscheinbare Ehefrau, die sich gesellschaftskonform verhielt und weder ihrem Mann noch seiner Karriere im Weg stand, verweigert von einem Tag auf den anderen tierische Nahrung. Das führt zu Irritation in der Familie, Unverständnis, sogar Gewalt. Sie magert immer mehr ab. Es bleibt nicht dabei, dass sie kein Fleisch mehr isst, sie sitzt z.B. auch mit entblösster Brust in der Sonne - sie braucht die Sonne wie eine Pflanze. Mehr möchte ich nicht an Inhalt aus der Geschichte erzählen. Wer eine Zusammenfassung und mehr zu den Personen lesen möchte, findet in der Wikipedia einen entsprechenden Artikel.
Anscheinend gilt in Südkorea Vegetarismus als subversiv. Die Gesellschaftsnormen müssen sehr streng sein.
Wechselnd wird erzählt aus der Sicht des Ehemannes und Yong-Hye, viel aus Träumen. Im zweiten Abschnitt ist es der Schwager, welcher der Hauptakteur ist und im dritten die Schwester zusammen mit Yong-Hye. Die Verweigerung der Nahrungsaufnahme ist der Ausdruck einer Rebellion, einer bodenlosen Verzweiflung ob all der Unfreiheit. Die Gewaltanwendungen zeigen ein Nicht-Dulden von eigenen, nonkonformen Entscheidungen. Weitere Übergriffe (heftige!) sind Ausdruck von Ausnutzen von Personen, welche nicht bei ihrem gesunden Sinn sind.
Das Buch ist schwere Kost in einer ausgezeichneten Sprache. Der Inhalt wird mir gut im Gedächtnis bleiben. Die Verfilmung könnte ich nicht ertragen.
- Als sie (Yong-Hye) sich dem Tisch näherte, an dem ich (ihr zukünftiger Ehemann) auf sie wartete, fielen mir ihre Schuhe auf. Es waren die schlichtesten schwarzen Schuhe, die man sich vorstellen kann. Und dann dieser Gang, nicht schnell, nicht langsam, nicht raumgreifend und auch nicht trippelnd. So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.
- Der Vater am Telefon: “Was fällt dir eigentlich ein? Solange es nur dich selbst betrifft, kannst du machen, was du willst. Aber hast du auch nur eine Sekunde an deinen Mann gedacht? Er braucht alle Kraft für seine Arbeit!” Sie aber hörte nur zu und gab keinen Ton von sich. “Warum sagst du nichts? Hast du mich verstanden?” Sie legte den Hörer auf den Tisch, ging in die Küche, um die Suppe vom Herd zu nehmen, bevor diese überkochte, und blieb dort. Ich hatte Mitleid mit ihrem Vater, der immer noch am anderen Ende der Leitung tobte, und nahm den Hörer auf. “Ich bitte um Verzeihung, Schwiegervater.”
- Die gesichtslose Frau in seinem (Schwager von Yong-Hye) Skizzenbuch war niemand anderes als seine Schwägerin. Besser gesagt, sie musste es sein. Als er das erste Mal ihren nackten Körper malte, ohne ihn je gesehen zu haben, und ihn am Gesäss mit einer dem Mongolenfleck ähnelnden kleinen blauen Blüte versah, bekam er eine Erektion, und Schauer jagten ihm über den Rücken. … Wer war der ebenfalls gesichtslose Mann, der in sitzender Position in sie eindrang, sich an ihren Hals klammernd, sie fast erwürgend? Er wusste, er war es selbst. Es konnte gar nicht anders sein. Als ihm dies klar wurde, entglitten ihm die Gesichtszüge.