Kurt Tucholsky ist uns mit seinen Texten aus der Schulzeit in Erinnerung geblieben, der deutsche Satiriker wird oft in eine Schublade entweder als gemütlicher Spassvogel oder vehementer Warner vor dem sich anbahnenden Unheil durch die Nazis gesteckt. Dabei war der Berliner ein Vielschreiber, der in mehreren Blättern, für die Bühnen des Kabaretts und als Gebrauchslyriker geschrieben hat. In der “Vossischen Zeitung” hat er Ende der 20er-Jahre die Dialoge zweier Toter, die da im Wolkenhimmel sitzen, die Beine baumeln lassen und über das Leben, das Lieben und IHN diskutieren, den Big Boss im Himmel. Das kommt für die, die den politischen Tucholsky kennen, sehr unpolitisch daher. Für all jene, die den heiteren Satiriker erwarten, kommen diese Texte erstaunlich melancholisch daher. Tucholsky war in jener Zeit wohl der berühmteste Kolumnist seiner Zeit, doch chronisch krank und politisch als zu wenig konsequent ausgegrenzt von seinen linken Kampfgenossen und von den rechten Blättern als jüdischer Kommunist verfemt und so zum Lieblingsfeind der Nazis auserkoren. Vermutlich würde man heute sagen, er war ausgebrannt. In diesen Jahren setzte er sich mit Religionen, mit Freud und dem Sinn des Ganzen auseinander und schreibt aus seinem französischen Wohnsitz oder den Kuraufenthalten diese Texte, die formal auf höchsten Niveau, inhaltlich heitere melancholische Alltagsphilosophe betreiben, und all die oben erwähnten Themen miteinschliessen. Meiner Meinung nach eine wahre Fundgrube skurriler Lebensweisheiten, erhellender Ansätze von Welterklärung und ein eindrückliches Testament eines Mannes, der ahnt, dass die von ihm vorher gesagte politische Entwicklung ihn vernichten wird.